Mailand - Damit hatten die wenigsten Beobachter gerechnet. Die Regierung Monti beschloss in der Nacht auf Mittwoch überraschenderweise eine Senkung der Einkommensteuer für Geringverdiener. Bei Einkommen unter 15.000 Euro werden künftig nur mehr 22 Prozent (statt 23) fällig, bei der nächsten Steuerstufe bis 28.000 Euro Jahreseinkommen sinkt der Satz von 27 auf 26 Prozent.

Die Mehrwertsteuer wird dafür ab Mitte 2013 um einen Prozentpunkt erhöht. Ursprünglich waren hier freilich zwei Prozentpunkte geplant. Grünes Licht wurde, wie berichtet, für die bislang abgelehnte Finanztransaktionssteuer gegeben. Wie es in Rom heißt, wollte Monti Spannungen mit Paris, Berlin, aber auch mit Wien vermeiden.

Rücksicht auf Unternehmen und Gewerkschaften

In Summe weist das Stabilitätsgesetz der Regierung ein Volumen von rund zwölf Milliarden Euro auf. Das Paket nimmt sowohl auf die Unternehmen wie auch auf die Gewerkschaften Rücksicht.

"Nun steht einer Einigung der Sozialpartner nichts mehr im Weg", kommentierte Universitätsprofessor Marco Fortis von der Mailänder Cattolica-Universität die Maßnahmen. Die Regierung habe den Weg zur Einigung geebnet, heißt es auch in der linksliberalen Tageszeitung La Repubblica. Die beiden gemäßigten Gewerkschaftsverbände CISL und UIL zeigten sich zufrieden, die radikale CGIL befindet sich weiterhin auf Konfrontationskurs.

Mailänder Wirtschaftskreise sind überzeugt, dass es sich beim Stabilitätsgesetz um den letzten wirtschaftlichen Kraftakt der Regierung Monti vor den im Frühjahr geplanten Parlamentswahlen handle. Damit das Budget wegen der Steuersenkungen nicht aus dem Ruder läuft, sind im Gegenzug kräftige Ausgabensenkungen im Verwaltungsbereich vorgesehen. Im öffentlichen Dienst gibt es bis 2014 einen Einstellungsstopp, auch bei den Regionen und Provinzen sind Sparmaßnahmen vorgesehen. Im Gesundheitswesen wurden Ausgaben in Höhe von einer Milliarde Euro gekürzt.

"Heute können wir sehen, dass sich Haushaltsdisziplin auszahlt und sinnvoll ist. Wir können uns selber etwas Entlastung verschaffen", betonte Monti. Laut seinen Vorstellungen handelt es sich bei der Steuersenkung nur um den ersten Schritt eines breit angelegten Steuersenkungsprogramms. Gleichzeitig betonte er freilich auch, dass die rigorose Sparpolitik fortgesetzt werde.

Geringerer Bedarf

Ein möglicher Hintergrund für die nun beschlossenen Steuererleichterungen: Die italienische Schuldenverwalterin Maria Cannata gab am Mittwoch bekannt, dass der Nettofinanzierungsbedarf Italiens 2013 um 20 Milliarden sinken werde. Insgesamt werden 2013 Anleihen im Volumen von 115 Milliarden Euro fällig. Zur Diskussion stehe eine Benchmark-Anleihe mit 30-jähriger Laufzeit. Die Neuverschuldung Italiens soll im kommenden Jahr auf 1,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) sinken. (Thesy Kness-Bastaroli, DER STANDARD, 11.10.2012)