Die Sprache macht's aus. Das wissen FeministInnen nur allzu gut, zerpflücken sie die deutsche Sprache doch seit jeher in ihre Bestandteile, kreieren spielerisch Neues, eliminieren Altbewährtes. Dekonstruktion ist das Reizwort, bei dem Gewohnheitstieren jedoch schnell der Kragen platzt. Warum sich FeministInnen dennoch vor einem mainstreamtauglichen Sprachgebrauch scheuen, darüber wollte sich Elena Pieper, Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte im Bundesvorstand der Jusos (Jungorganisation der SPD), unterhalten und lancierte eine Diskussionsrunde zum Thema "Sprache, die wir verstehen - Ausschluss durch akademische Sprache". Die Plattform dafür bot am 6. Oktober das Barcamp Frauen mit dem Motto "Bloß keine Hemmungen", eine Konferenz zur Vertiefung Feminismus relevanter Themen in der Berliner Kalkscheune.

Bestseller vs. gendertheoretische Kür

Dass Männer vom Mars und Frauen von der Venus kommen, davon ließen sich weltweit Massen schnell überzeugen, erreichte doch der gleichnamige Beziehungsratgeber von Therapeut John Gray eine Millionenauflage. Auch populärwissenschaftliche Zeitschriften, die neurosexistische Thesen à la "Warum Frauen schlechter einparken und Männer einen schlechteren Orientierungssinn haben" gerne mit wissenschaftlichen Studien untermauern, treffen mitten ins Herz einer Gesellschaft, die Unterschiede zwischen Mann und Frau gerne als Weisheit letzter Schluss betrachten. "Das Unbehagen der Geschlechter" der US-amerikanischen Theoretikerin Judith Butler hingegen liegt nur unter dem Kopfpolster gendersensibler Köpfe. Kein Wunder, zählt Grays Bestseller doch eher zu den leicht konsumierbaren Lektüren und Butlers Werk zur gendertheoretischen Kür. Die meisten der in der Diskussionsrunde Anwesenden gestehen, Letzteres aus Verständnisgründen mehrmals gelesen zu haben.

Einfache Leitfäden erwünscht

"Die Leute, die gegen den Feminismus 'bashen', haben wohl leider die richtigen Worte gefunden", sagt eine Teilnehmerin. Eine Andere: "Wir müssen unsere feministischen Anliegen mehr an die Menschen herantragen", ansonsten wären schnell jene zur Stelle, die emanzipatorische Prozesse lieber verhindern würden. Sie finden einfache Worte für jene Menschen, denen die zeitliche Kapazität, der Wortschatz oder schlicht die Betroffenheit fehlt, sich mit Machtverhältnissen in ihrer Umwelt auseinanderzusetzen. Die Mehrheit der Gesellschaft höre nicht gerne, dass sie an den Ungleichheiten dieser Welt mitschrauben, sondern wünschen sich einfache Leitfäden zur Entwirrung komplexer, gesellschaftlicher Probleme.

Bisher habe im feministischen Diskurs tendenziell Exklusion statt Inklusion dominiert. Oft würden Sätze wie "bildet euch doch" oder "lies doch mal dieses oder jenes Buch" fallen. In feministischen Onlineforen würden Uneingeweihte auf diese Weise schnell mundtot gemacht, beschwert sich eine Diskutantin. Als Reaktion auf aggressive Troll-Attacken wären solche Antworten ja durchaus legitim, aber nicht auf interessiertes Nachfragen von Menschen, die der gendertheoretischen Wissenschaftssprache nicht mächtig seien. Eine Erklärung für dieses Dilemma könnte in der Spaltung zwischen dem feministisch-wissenschaftlichen Diskurs und der frauenpolitischen Praxis liegen: "Die zunehmende Akademisierung bewirkt eine Entpolitisierung der Frauenbewegung", analysiert eine Teilnehmerin. Unterschiedliche Kompetenzen müssten deshalb gebündelt werden, um sich stärker gegen anti-feministische Tendenzen wehren zu können.

Nicht jede und jeder habe ausgeprägte didaktische Fähigkeiten, deshalb sollten jene den feministischen Bildungsauftrag übernehmen, die auch Geduld dafür aufbringen. Nach einer Stunde Diskussion waren sich die meisten darüber einig, dass feministische Anliegen oft selbst verschuldet am Mainstream "vorbeischrammen". Die Diskussion im weniger exklusiven Rahmen weiterzuführen, wäre vermutlich der nächste notwendige Handlungsschritt. (Laura Wösch, dieStandard.at, 11.10.2012)