Warschau - Das polnische Parlament hat sich am Mittwoch überraschend für Beratungen zur Verschärfung des Abtreibungsgesetzes ausgesprochen. Auch 40 Abgeordnete der rechtsliberalen Regierungspartei "Bürgerplattform" (PO) stimmten dafür, ein entsprechendes Projekt der rechtskonservativen Oppositionspartei "Solidarisches Polen" (SP) in die Ausschüsse zu verweisen. Ein Konkurrenzvorschlag der linksliberalen "Bewegung Palikots" (RP) zur Liberalisierung der Abtreibungsregelung wurde dagegen abgelehnt.

Das Vorhaben der SP sieht vor, dass Schwangere ihr Kind auch dann bekommen müssen, wenn es schwerbehindert oder mit schweren gesundheitlichen Schäden zur Welt kommen wird. In solchen Fällen lässt das polnische Gesetz bisher eine Abtreibung zu. Die beiden anderen Fälle, in denen das polnische Recht eine Abtreibung zulässt, will "Solidarisches Polen" dagegen bestehen lassen - nach einer Vergewaltigung und bei einer Gefahr für die Gesundheit der Mutter.

"Abgeordnete haben Fehler begangen"

"Solidarisches Polen", die Partei des Ex-Justizministers Zbigniew Ziobro, hatte den Schwangerschaftsabbruch bei einer Behinderung des Kindes als "Eugenik-Abtreibung" bezeichnet. Dieser sei moralisch nicht zu rechtfertigen, erklärte sie. Die Fraktionsführung der "Bürgerplattform" zeigte sich verwundert über die Abstimmung. Sie hatte ihren PolitikerInnen empfohlen, das Gesetzesprojekt abzulehnen. "Die Abgeordneten haben einen Fehler begangen", erklärte der PO-Fraktionsvorsitzende Rafal Grupinski gegenüber Radio TOK FM und kritisierte den konservativen Flügel der Partei als illoyal. Der Vorsitzende des "Bündnis der demokratischen Linken" (SLD) Leszek Miller sagte, er hätte es nicht für möglich gehalten, "dass der Sejm ein derart fundamentalistisches Projekt in die Ausschüsse verweisen" würde.

Das in Polen geltende Abtreibungsrecht stammt von 1997. Immer wieder gab es seitdem Versuche, es zu liberalisieren oder zu verschärfen. Umfragen zeigen, dass etwa drei Viertel der PolInnen hinter dem geltenden Gesetz stehen. (APA, 11.10.2012)