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Heimatgeflüster: Harald Dobernig (li.) mit FPK-Chef Kurt Scheuch bei der 10.-Oktober-Feier des Landes Kärnten in Klagenfurt.

Foto: APA/GERT EGGENBERGER

Von einem Kenner der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse geht mir aus Untersteiermark eine recht drastische Schilderung der neuestens geschaffenen "Situation" zu, und ein Gewährsmann bezeichnet es als eine Gewissenspflicht, den Wust von Lügen und falschen Ansichten zu zerstören, der dem Entfernterstehenden die Bildung eines zutreffenden Urtheils über die südsteierischen Affairen behindert. Hier, meint er, lasse sich die allgemeine Giltigkeit der Düring'schen Theorien am allerdürftigsten beweisen. Wolle man die Ursachen des hier in seiner hässlichsten Form wüthenden Nationalitätenstreites in Verschiedenheiten, sei es der Abstammung, sei es der Rasse oder wenigstens der Sprache, suchen, so komme man bald zu der Ueberzeugung, dass nichts von alledem zutrifft.

Vorerst muss überhaupt die Fiction zerstört werden, als ob die Untersteiermark einerseits von Deutschen, andererseits von Slovenen bewohnt würde. Fast durchwegs besteht die Bevölkerung aus einer mehr oder weniger homogenen Mischung der beiden Volksstämme, in der der slovenische Einschlag überwiegend ist. Nimmt man aber erst Rücksicht auf die dort geläufigen Familiennamen, so gelangt man zu einem überraschenden Resultate. Der Alttschechenführer Rieger soll einstmals nachdenklich geäußert haben: "Mir scheint, dass dem Cheruskerfürsten Herrmann meine Ahnen näher standen, als die des Freih. v. Chlumecky!"

Wie heißen nun die heutigen Wortführer des Alldeutschthums in der Untersteiermark? Da haben wir zunächst Herrn Rakusch, den Vicebürgermeister von Cilli, dessen Vater, wie man sich erzählt, noch keine Silbe Deutsch verstand. Der Abgeordnete des deutschvölkisch gesinnten Marburg an der Drau heißt Kokoschinegg (kokosch slov. =Henne). Zu den eifrigsten Verfechtern des deutschen Radicalismus gehören in Cilli, abgesehen von dem Schwiegervater des Abg. Wolf, Dr. Stepischnegg (stepisch slov. = Brunnen, stepischnegg = Brunner), noch eine Reihe von Advocaten, deren Namen durchaus nicht den deutschen Ursprung verrathen: Schurbi, Kovatschitsch (kovac slov. = Schmied, kovacic =Schmiedel), Jessenko, Jabornegg, Ambrositsch, Mravlag.

Unter den Deutschvölkischen, die bei den letzten Gemeindewahlen in Tüffer als Sieger hervorgiengen, fielen uns unter mehreren durchaus nicht teutonisch klingenden Namen die der Herren Besgorschak und Podgorschegg auf. Vor einigen Tagen meldete ein slovenisches Blatt, als Rädelsführer der letzten Cillier Krawalle sei ein Grazer Universitätshörer, namens Scheligo in Haft genommen worden (scheligo slov. = Bajazzo.) Der Vater des Genannten ist slovenischer Lehrer in St. Gertraud bei Tüffer, die Mutter ist eine Vollblutungarin, - der Sohn deutschnationaler Burschenschafter ...

Wie steht es nun mit den Parteigängern der Slovenischnationalen? Bekanntlich ist der heutige slovenische Nationalismus fast ausschließlich eine Erfindung des Pfarrers Einspieler aus Eisenkappel in Kärnten.

Einer der eifrigsten Wortführer der Slovenen in Cilli ist ein Herr Moriz Rauch. Weiter finden wir unter den steirischen Slovenen die Namen Dr. Kaisersberger, Fischer, Lippoldt, Mayer, Sittig, Plapper; der Bürgermeister des Marktes Sachsenfeld im Sannthale heißt Schürzer; unter den slovenischen Bauern finden wir die Namen Rossmann, Blachmann, Sprachmann, Schuster, Rosenstein, Kramer u. dgl. m. Der Slovene, der bei den jüngsten Cillier Krawallen´auf einen Deutschen schoss, heißt Otto Hahn, der angeschossene Deutsche Pollanetz ...

Sollte es noch eines Beleges bedürfen, um die jeder Vernunft hohnsprechenden Grundsätze des dort betriebenen Nationalismus ad absurdum zu führen, so sei eine Erscheinung festgehalten, die an Lächerlichkeit vollends ihresgleichen sucht.

In Untersteiermark ist es nämlich ein ganz häufiger Fall, dass in einer und derselben Familie - Verwandte, ja leibliche Brüder - die einen auf den deutschen, die anderen auf den slovenischen Nationalismus eingeschworen sind; es versteht sich von selbst, dass in dem einen Falle die Schreibart des Namens, wenn möglich, germanisiert, im andern Falle slovenisiert wird. So gibt es in Marburg beispielsweise zwei Brüder Glantschnigg und Glancnik, die beide eine gewisse Rolle, der eine im deutschnationalen, der andere im slovenischnationalen Parteileben, spielen; so- dann in Schönstein zwei Brüder Woschnagg und Vošnjak, welch letzterer Landtagsabgeordneter ist. In Sachsenfeld ist als eîfrigste Vertreterin des Slovenismus eine Frau Hausenpichl bekannt; eine Verwandte gleichen Namens unterhält in Cilli ein deutsches Mädchenpensionat.

Aber nicht genug an dem. Der den dortigen Verhältnissen Fernerstehende ist gewöhnlich geneigt, als Ursache der bürgerlichen Zwietracht, wenn schon nicht die Verschiedenheit der Abstammung, so doch wenigstens die der Muttersprache zu betrachten. Aber auch dies wäre ein grober Irrthum.

Selbst die gebildeten Schichten der Bevölkerung mit deutscher Muttersprache sprechen das Deutsche mit einem unschönen Dialect, häufig sehr fehlerhaft, beherrschen dagegen größtentheils das Slovenische recht gut, - manche Beamte deutscher Abstammung sogar in einem Maße, das selbst bei den slovenischen Nationalen Bewunderung erweckt. Dagegen sprechen fast alle Gebildeten der slovenischnationalen Partei ein sehr schönes reines Deutsch, aber nur zu häufig ein mangelhaftes Slovenisch. Bekanntlich wird die slovenische Schriftsprache von der ländlichen Bevölkerung überhaupt nicht verstanden, so dass eines der in ihrer Mitte erscheinenden politischen Wochenblätter, die "Domovina", sogar in der Mundart geschrieben wird.

Sehr viele slovenische Nationale, besonders die Frauen, verstehen aber überhaupt gar kein Slovenisch, so dass selbst bei slovenischnationalen Feierlichkeiten die Unterhaltung von Seite der Damen deutsch geführt werden muss, weil sie eben einer andern Sprache gar nicht mächtig sind ... (Karl Kraus, DER STANDARD, 12.10.2012)