Trauttenberg zu Generalskamerad Entacher, der die Wehrpflicht weiter hochhält: "Wenn der Primat der Politik infrage gestellt wird, befinden wir uns bald in einer Bananenrepublik."

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STANDARD: Sie haben Edmund Entacher, Generalstabschef von Norbert Darabos, den Rücktritt nahegelegt, weil er sich im Widerspruch zum Verteidigungsminister als "Retter der Wehrpflicht" stilisiert. Was spricht dagegen, dass hohe Beamte ihre persönliche Expertise in die Debatte einbringen?

Trauttenberg: Ich halte es nicht für zweckmäßig, wenn diese Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit stattfindet. Stellen Sie sich vor, der Generalsekretär im Lebensministerium würde zu Umweltfragen andere Ansichten vertreten als sein Minister: Das gehört doch im Büro ausdiskutiert, nicht bei offiziellen Terminen. Es gibt den Spruch, der den Primat der Politik gut beschreibt: "Die Politik kommandiert die Gewehre." Wenn das auf Dauer infrage gestellt wird, befinden wir uns bald in einer Bananenrepublik.

STANDARD: Entacher gilt als roter General, Sie als konservativer: Sind Sie gar für die Abschaffung der Wehrpflicht?

Trauttenberg: Unser Wehrsystem ist - und da nehme ich jetzt die Worte des Ministers in den Mund - megasinnlos. Pausenlos drehen wir an der Ausbildungskurbel, indem wir Jahr für Jahr 25.000 Wehrpflichtige ausbilden - und nach sechs Monaten kommt ihr erworbenes Wissen in den militärischen Abfallkübel, weil die jungen Männer zu nichts mehr verwendet werden. Dieser Zustand besteht, seit Verteidigungsminister Günther Platter (ÖVP) 2006 klammheimlich per Ministerverordnung aus acht Monaten Wehrdienst sechs Monate gemacht hat.

STANDARD: Werden Sie also bei der Volksbefragung für die Einführung eines Berufsheeres stimmen?

Trauttenberg: Ich habe ein Problem mit dem Begriff "Berufsheer", der Ausdruck "Freiwilligenarmee" ist mir lieber - weil sie aus zwei Komponenten bestehen soll: einerseits aus dem Berufskader, andererseits aus freiwilligen Zeitsoldaten, die eine gewisse Zeit dienen und dann auf den Arbeitsmarkt zurückkommen. Ja, ich werde für dieses Freiwilligenheer stimmen.

STANDARD: Die ÖVP warnt, dass mit dem Wegfall von Wehrpflicht und Zivildienst Katastrophenschutz wie Rettungswesen ins Wanken geraten - keine derartige Sorgen?

Trauttenberg: Beim Jahrhunderthochwasser 2002 habe ich den Einsatz des Bundesheeres mit 12.000 Mann geleitet, daher glaube ich: Wenn rund 15. 000 Mann an Profisoldaten im Katastrophenfall bereitstehen, dann ist eine bessere Qualität bei der Hilfe gewährleist als bei den derzeitigen Einsätzen. Beim Hochwasser 2002 bestand unsere Aufgabe vor allem darin, den Dreck wegzuschaufeln. Denn wir haben momentan zwar Wehrpflichtige in Masse, aber sie verfügen kaum über eine adäquate Ausbildung. Jetzt kommt qualifizierte Hilfe in erster Linie von den örtlichen Feuerwehren, die auch mit entsprechenden Geräten ausgerüstet sind.

Will man den Katastrophenschutz optimieren, sollte gewährleistet werden, dass Feuerwehrleute bei einem Ernstfall länger von ihrem Arbeitsplatz wegbleiben können. Allenfalls kann man auch ein technisches Hilfswerk wie in Deutschland einrichten. Aber dafür braucht es keine Wehrpflichtigen und keine Soldaten.

STANDARD: Lange bevor das als selbstverständlich galt, haben Sie sich mit den Gräueln der Wehrmacht und den Widerstandskämpfern während der NS-Zeit beschäftigt. Hat Darabos als Historiker einen Beitrag geleistet, dass sich das Bundesheer intensiver mit seiner Geschichte auseinandersetzt?

Trauttenberg: Diesbezüglich ist nur Positives zu Darabos' Amtsführung zu sagen. Ich erinnere nur an die Kaserne in Lehndorf, die einst auch von KZ-Häftlingen aus Mauthausen errichtet wurde. Jahrelang wurde keine Gedenktafel angebracht, die Angelegenheit zwischen Wien und Kärnten hin- und hergeschoben. Dann war Darabos Minister - und die Tafel war da.

Er ist auch das Denkmal am Heldenplatz mutig angegangen. Eine Neugestaltung des Heldendenkmals anzudenken, das auf das annektierte Österreich im Jahr 1938 hinweist sowie seine absolut nicht zu rechtfertigende Affinität zur deutschen Wehrmacht. Vorher hätte es ja genügend ÖVP-Minister gegeben, die das auch in Angriff nehmen hätten können, aber möglicherweise ist ihnen dabei der Kameradschaftsbund im Weg gestanden.

STANDARD: Einst mussten Sie als militärischer Ex-Berater der Voest vor den U-Ausschuss zur Causa Noricum. Fühlten Sie sich als Auskunftsperson fair behandelt?

Trauttenberg: Ein Untersuchungsausschuss ist ja nicht gerade eine Cocktailparty. Der Grüne Peter Pilz konnte damals zwar auch schon unangenehm werden, aber es war auszuhalten. Ich habe mich bei der Ladung weder düpert noch angegriffen gefühlt.

STANDARD: Mehr als ein halbes Dutzend U-Ausschüsse später: Wie steht es um die politische Hygiene im Land?

Trauttenberg: Der U-Ausschuss zu den Korruptionsaffären war jedenfalls das bestes Beispiel dafür, dass die politische Mehrheit im Land immer noch darüber bestimmt, inwieweit sie Wahrheitsfindung zulässt. Solange nicht gewährleistet ist, dass die Einrichtung eines U-Ausschusses ein parlamentarisches Minderheitenrecht wird, bleibt das so. Allerdings sehe ich bei einem Oppositionsrecht auch die Gefahr, dass das Parlament vor lauter U-Ausschüssen eines Tages nicht mehr zu seiner eigentlichen Arbeit kommt. (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 13/14.10.2012)