Eigentlich wollte die SPÖ-Führung mit dem Parteitag in St.Pölten den Wahlkampf einleiten. "Gerechtigkeit" stand groß auf den Plakaten. Sensible Materien wurden schon davor in Arbeitsgruppen verbannt, ein U-Ausschuss abgedreht. Vermögenssteuern, Erbschaftssteuer, Erhöhung der Grundsteuer - Auf das Thema Gerechtigkeit sollte man eine sozialdemokratische Partei eigentlich nicht einschwören müssen. Gerechtigkeit sollte zur Seele der Partei gehören. Und doch: Unterschätzt wurde der Gesprächsbedarf der Basis.

Schon seit Wochen brodelt es in der SPÖ. Landeshauptleute stellen sich quer zur Bundesposition, Abgeordnete stimmten gegen die Parteilinie, selbst Ministerkollegen wollen sich nicht klar hinter Faymann stellen. Drei Themen wurden bislang in der Partei nicht ausreichend offen diskutiert: Warum das Vorgehen gegen die Wehrpflicht? Wie geht es weiter in der Frage der Studiengebühren? Warum weigert sich Werner Faymann, in den U-Ausschuss zu kommen? Diese drei Fragen sind es, die die Basis beschäftigen - und die Wähler.

Doch die Fragen, die er nicht zulässt, holen Werner Faymann jetzt ein. Je länger der Parteitag andauerte, desto kritischer wurden die Wortmeldungen. Die Sozialistische Jugend stellte schließlich den Antrag, die Einbringung eines U-Ausschuss zum Minderheitenrecht zu machen, der Verband Sozialistischer StudentInnen forderte ein Bekenntnis zum freien Hochschulzugang: Subtile Zeichen des Unmuts.

Weniger subtil dann die Unmutsäußerungen beim Urnengang selbst. 83,43 Prozent der Delegierten stimmten für Werner Faymann. Es ist das schlechteste Ergebnis für einen SPÖ-Chef in der Geschichte der Partei, und das obwohl es keinen Gegenkandidaten gab.
Die Partei straft ihren Chef ab und stellt ihm die Rute ins Fenster. Die SPÖ sollte sich fragen, ob ihre Basis nicht näher bei einer Sonja Ablinger, einem Andreas Babler oder einem Josef Ackerl steht, als bei einem Josef Cap, einem Josef Ostermayer und oder einem Werner Faymann. Der Ruf nach Veränderung ist jedenfalls nicht mehr zu überhören.

Werner Faymann muss nun zwei Wahlkämpfe zugleich führen. Den um die Zustimmung in seiner Partei; und den um die Zustimmung der Wähler. Er muss 2013 beide gewinnen, wenn er Bundeskanzler bleiben will. (Sebastian Pumberger, derStandard.at, 13.10.2012)