Es ist die Zeit der Rechenstifte. Natürlich nur metaphorisch. Denn was da zwischen Finanzministerium und den Fachministerien hin und hergeschickt wird, ist der Schrift- und Stiftkultur längst entwachsen. Für Striche genügt bei den elektronischen Tabellendateien schon ein Tastendruck am PC.

Beim Wissenschaftsministerium scheint das vergleichsweise besonders einfach zu sein: Hier wurde vor zwei Jahren bei der Regierungsklausur in Loipersdorf bekanntlich das Budget auf sechs Zeilen zusammengestrichen, die die sechs Budgetsäulen des BMWF benennen: Universitäten, Fachhochschulen, Akademie der Wissenschaften, die Exzellenz-Uni ISTA in Gugging, der Österreichische Austauschdienst ÖAD und die Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft.

Seither wird nur mehr innerhalb dieser Säulen Geld vergeben, außerhalb gibt es nichts. Und das ist schlecht so: für Österreich, für den Wissenschaftsstandort, für die Entwicklung zur Wissensgesellschaft - und sollte daher umgehend repariert werden. Noch heuer.

Wissenschaftsminister Töchterle hat offensichtlich erkannt, dass Forschung nicht nur in der Sechs-Säulen-Halle praktiziert wird. So spricht er sich für die Schaffung eines "großen" Forschungsministeriums aus. Damit meint Töchterle vor allem eine neue Aufgabenordnung zwischen den Ministerien, da zurzeit ja auch Infrastruktur- und Wirtschaftsministerium bedeutende und budgetär sehr signifikante Forschungsagenden haben.

Die Regierung sollte Töchterle nicht lange warten lassen. Drei Gründe dafür liegen auf der Hand: Lösungsorientiertheit, Entrepreneurship, Kreativität.

Die Organisationen und Institute der unabhängigen, außeruniversitären Forschung sind nahe an ihren Forschungsproblemen und -partnern. Sie leisten Unverzichtbares in der komplexen Gesellschaft: Reduktion von Komplexität, umsetzungsorientierte Wissenschaft, angewandte Forschung. Sie liefern Lösungen, die von neuen Modellen für die Arbeitswelt bis hin zu intelligenten Software für das Internet reichen. Sie sind nahe dran, an dem, was die Gesellschaft (nicht nur der Markt) braucht.

Wer in der der unabhängigen, außeruniversitären Forschung reüssieren, ja auch nur überleben will, braucht unternehmerisches Engagement: Die Mitarbeiter/-innen wissen nicht nur, wofür sie arbeiten, sondern auch, dass es ohne ihre tägliche Arbeitsleistung für sie kein Morgen gibt. Sie sind genau jene Wissensentrepreneurs der Gesellschaft, die so oft verlangt werden, aber von den Säuleninstitutionen kaum geliefert werden können. In der unabhängigen, wissenschaftlichen Forschung liegt der Fokus auf Output für Kunden, nicht auf Karriere in Institutionen. Statt Publikationswut gilt hier Produktivität für andere Menschen. Nicht die Jagd auf möglichst viele Zitationen wird gefordert, sondern lösungsorientierte Kreativität. - Nicht dass dies alles so einfach umzusetzen wäre, aber ist das schon ein hinreichender Grund einen ganzen Forschungssektor budgetär zu leugnen?(Peter A. Bruck, DER STANDARD, 16.10.2012)