Vom Cadillac Eldorado über den Oldsmobile Toronado bis hin zum Ford F-350 Duty Lariat: Der Band "Car Design America" zelebriert die Geschichte des US-Autodesigns
Die erste Messe ist bereits gelesen. Sprich: Kollege Auenhammer hat den von Autor Paolo Tumminelli vorgelegten Prachtband "Car Design America" vor kurzem einer Rezension unterzogen. Nun hat sich der Verlag bereiterklärt, einige der schönsten Bilder aus dieser Enzyklopädie zur Verfügung zu stellen.
Was selbst diese kleine Auswahl aus dem 392-Seiten-Kompendium zeigt: Tumminelli geht es nicht darum, eine akribische Typenkunde abzuliefern. Er bettet seine Tour de Force durch die Geschichte des Automobils in den USA in gesellschaftliche Strömungen und Moden ein. In zwölf chronologisch geordneten Kapiteln pickt er sich die jeweiligen Stilikonen, Masterminds und Marksteine heraus. Hubraum-Tabellen und Drehmoment-Exegesen unterbleiben - stattdessen hebt der Autor aus den Archiven so manche Design-Preziose.
Aus Formgebern werden Stilisten
Design - das war in den Anfängen der Mobilisierung selbst in den Vereinigten Staaten noch ein Zufallsprodukt. Erst in den 1920ern fassten die Hersteller den Mut, nicht nur alltagstaugliche Vehikel, sondern auch Traumwagen zu produzieren. 1937 benannte General Motors die eigene Designabteilung mit dem spröden Namen "Art and Color" in "Styling" um. Fortan wuchs das Selbstbewusstsein der Gestalter schneller als die wuchtigen Geräte, die vom Band liefen.
Es sollte jedoch bis nach dem Zweiten Weltkrieg dauern, dass Design eine Trägerrakete der Massenmobilisierung wurde. Mit allen gestalterischen Kollateralschäden, die diese vom eigenen Erfolg besoffene Industrie bis in die 1970er herauf anrichtete. Eine Wertung, gar Abrechnung ist dieser Band dennoch nicht - gleichwohl auch keine bildersatte Hagiografie der US-Autoindustrie. Tumminelli, Professor an der Köln International School of Design, ist kein Fanboy.
Von"Potato School" bis Supersize
Mit angenehm ironischem Unterton hantelt sich der Autor bis in die Gegenwart. Von der "Potato School" über die Hot-Rod-Bewegung der 1950er und die Genese der Heckflossen-Monster bis hin zu den wuchtigen Pickup-Trucks führt Tumminelli durch die Epochen. Selbst die Verästelung der Big Three (Ford, General Motors und Chrysler) in unzählige Sub-Marken wird schlüssig dokumentiert. Aber auch der Wahnsinn des Genres (groteske Kleinwagen, schrille Chromgeschwüre, überkreative Designstudien) ist vertreten.
Dennoch nimmt sich der Verfasser den Raum, immer wieder auf die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für technische oder gestalterische Entwicklungen hinzuweisen. Unzählige sorgfältig reproduzierte Werbeaufnahmen spiegeln den Zeitgeist, aber auch den verhängnisvolle Hybris der US-Giganten wider, die in den 1980ern - was die internationale Konkurrenzfähigkeit betraf - unvermittelt in die Bedeutungslosigkeit führte.
Es ist eine opulent inszenierte Rise-and-Fall-Story, die Paolo Tumminelli da zum Besten gibt. Kurzweilig, spannend durcherzählt, mit dem Mut zur Lücke an den richtigen Stellen. "Car Design America" ist ein Staun- und Lehrbuch gleichermaßen. Zu schade, um bloß als Coffeetable-Book zu enden. (Stefan Schlögl, derStandard.at, 17.10.2012)