Die Politik findet nicht den Mut und die Kraft, die Frage selbst zu beantworten: Ob Studiengebühren eingehoben werden können, dürfen oder sollen, das soll jetzt der Verfassungsgerichtshof entscheiden. Und dessen Präsident hat angedeutet, wie die Entscheidung ausfallen dürfte: So weit reicht die Autonomie der Universitäten dann doch nicht, das selbst bestimmen zu können.

Die Politik stellt sich tot und trifft von sich aus keine Entscheidung. Die ÖVP wäre für die Wiedereinführung von Studiengebühren, die SPÖ kann sich nicht festlegen: Ein Antrag der Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller auf Einführung von Studiengebühren wurde parteiintern in eine Arbeitsgruppe verbannt. Eine Diskussion darüber hat bisher nicht stattgefunden. Parteichef und Kanzler Werner Faymann meidet die inhaltliche Auseinandersetzung: Ihm geht es nicht um Gerechtigkeit, auch die Lage der Universitäten und der Studierenden scheint ihn nicht sehr zu interessieren; ihm geht es nur darum, ob es taktisch schlau ist, ein Wahlversprechen der SPÖ aufzugeben.

Mit Gerechtigkeit haben Studiengebühren oder eben deren Nichteinhebung ohnedies nichts zu tun. An allen Ecken und Enden will die SPÖ die Reichen zur Kasse bitten, an den Universitäten hingegen bekommen die Kinder von Millionären, die Tochter des Großbauern, der Sohn des Unternehmers das Angebot gratis, gleich wie das Kind von Arbeitern.

Die ÖVP putzt sich ebenfalls ab. Sie hetzt die Universitäten in eine rechtlich völlig unklare Situation: Sollen sie doch auf eigene Faust Studiengebühren einheben. Allerdings tragen die Unis dann auch das Risiko, dass ihre Praxis als verfassungswidrig erkannt wird und sie die eingehobenen Gebühren zurückzahlen müssen. Das ist eine völlig unhaltbare Situation für die Universitäten genauso wie für die Studierenden.

Völlig unklar ist auch, ob der Bund den Universitäten finanziell beispringt, wenn der Verfassungsgerichtshof die Autonomie doch nicht so weit deutet und ihnen die individuelle Einhebung untersagt. Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle lässt es offen, ob diese Einnahmen dann ersetzt werden oder nicht.

Das ist Unprofessionalität auf hohem Niveau. Eine solche Frage nicht zu entscheiden ist verantwortungslos. Keinerlei Vorkehrungen zu treffen ist dilettantisch. Das ist einer "Bildungspolitik" unwürdig, da können sich die Vertreter von Schwarz und Rot die Hand reichen. Es ist eine ausgesprochene Form der Geringschätzung, wenn man die Nöte der Hochschulen und der Menschen, die dort arbeiten und studieren, derart ignoriert.

Die Universitäten haben keine Planungssicherheit. Ausbaden müssen das die Studierenden, die schon jetzt unter schwer zumutbaren Bedingungen leiden. Da braucht niemand mehr auf ein internationales Uni-Ranking zu schielen; im Spitzenfeld können sich keine Unis halten, wenn sie derart von der Politik gegängelt und finanziell ausgehungert werden. Die Uni brennt nicht mehr, sie ist ausgebrannt.

Die Aussichten sind schlecht: Wenn der Verfassungsgerichtshof seine endgültige Entscheidung getroffen haben wird - und es ist absehbar, wie sie ausfallen wird -, stecken wir mitten im Wahlkampf. Die Politik wird diese Frage wieder nicht lösen. SPÖ und ÖVP haben sich die Resignation auf ihre bildungspolitischen Fahnen geschrieben; deutlicher lässt sich ihr Versagen nicht veranschaulichen. (Michael Völker,  DER STANDARD, 18.10.2012)