Zu behaupten, mit dem neuen Gesetzesvorschlag würde es keine Fortschritte geben - besonders für Väter -, wäre Unsinn. Wie Heinisch-Hosek zu meinen, der Gesetzesentwurf wäre ein "großer Wurf" und würde die rechtliche Situation ins 21. Jahrhundert katapultieren, ist jedoch hanebüchen. Tatsächlich wurden alle wesentlichen Reformschritte gegen den erbitterten Widerstand von Heinisch-Hosek als Speerspitze aller Fraueninitiativen umgesetzt. Letztlich ist es nur der "Pistole im Rücken" zu verdanken (Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und durch den Verfassungsgerichtshof), dass es in letzter Sekunde überhaupt zu diesem Reförmchen kam. Heinisch-Hosek präsentiert sich dabei als Retterin aller Frauen, indem sie die sogenannten automatische Obsorge Jeanne-d'Arc-gleich (zugunsten der Einzelfallprüfung) abzuwenden vermochte. Dementsprechend finden sich die von ihr eingeforderte Abkühlphase und das Paradigma des hauptsächlichen Aufenthalts im Gesetz wieder. Ein Fortschritt?

Tatsächlich war eine Einzelfallprüfung bei allen vorhergehenden Gesetzesvorschlägen von Bandion-Ortner bis Karl immer schon vorgesehen. Mütter (wie Väter) hätten dafür lediglich einen Antrag einbringen müssen. Das ging Heinisch-Hosek aber immer schon entschieden zu weit. So viel Selbstbehauptung traut sie Frauen nicht zu. Mütter wären damit, ihrer Ansicht nach, reihenweise von Vätern unter Druck gesetzt worden. Vätern, denen es größtenteils "sowieso" nur um Macht ginge (was sonst), würde damit nur Gelegenheit gegeben werden, die gemeinsame Obsorge als Gegenleistung zu Alimentationszahlungen zu erpressen, und würde den Müttern nur in den Erziehungsalltag hineinpfuschen, ohne aber selbst Verantwortung zu übernehmen. Und überhaupt müsse man Mütter vor gewalttätigen Männern schützen. Täter-Väter also und Opfer-Mütter.

Ausgehend von diesem Weltbild ist eine Abkühlphase nur logisch. Ebenso folgerichtig ist es, den hauptsächlichen Aufenthalt weiterhin beizubehalten und damit der Doppelresidenz rechtlich einen Riegel vorzuschieben. Da es Heinisch-Hoseks Ansicht nach, Vätern bei der Doppelresidenz (also halbe-halbe bei der Kinderbetreuung nach der Scheidung) primär darum gehe, sich Alimente zu ersparen und die Kinder eh nur bei der Oma zwischenzulagern, hat man diesem Modell mit der Verpflichtung, einen hauptsächlichen Aufenthalt festlegen zu müssen, einen Riegel vorgeschoben.

Tatsächlich wurde das Familienrecht mit dem Reformvorschlag nicht ins 21 Jahrhundert katapultiert, sondern Österreich von der Steinzeit lediglich knapp ins Reich der Menschrechte geführt. Ein Jahrhundertwurf müsste einer grundsätzlichen Überlegung Rechnung tragen, die gleichzeitig einen Paradigmenwechsel mit sich brächte: Den Eltern müsste von Anbeginn an eine Begegnung auf gleicher Augenhöhe ermöglicht werden; Eckpfeiler, die diesem Prinzip dienen, müssten im Recht verankert sein. Erst wenn beide Elternteile sowohl in rechtlicher Hinsicht als auch hinsichtlich ihrer Verantwortung dem Kind gegenüber gleichgestellt wären, würde Machtmissbrauch am ehesten verhindert werden können und würde Konflikten am besten präventiv entgegengewirkt werden.

Deutschland hat es uns vorgemacht. Studien bestätigen die Wirkung einer solchen Gesetzgebung. Solange Väter ins Täter-Eck gestellt und Mütter als deren Opfer gesehen werden, solange ignoriert wird, dass Mütter nicht nur Opfer sind, sondern ihre Vormachtstellung dem Kind gegenüber vielfach missbrauchen und sie Väter mit Leichtigkeit aus der Beziehung zum Kind drängen können, so lange werden Konflikte an der Tagesordnung stehen und Kinder darunter leiden. Heinisch-Hosek und allen Fraueninitiativen "sei gedankt".

Auch eine Abkühlphase wird daran nichts ändern. Ganz im Gegenteil besteht die Gefahr, dass Väter sich in dieser Zeit in einer unwürdigen Bewährungssituation erleben und schon allein zur Wahrung ihrer Integrität in den Widerstand gehen werden. Kein erwachsenes Konzept, aber eine logische Folge von Machtungleichgewicht.(Anton Pototschnig, DER STANDARD, 20./21.10.2012)