Wien - Ein "neues Genre für den Konzertsaal" wollte Robert Schumann mit seinem 1843 uraufgeführten Großwerk Das Paradies und die Peri erfinden; als textliche Basis für sein oratoriennahes Opus 50 hatte der Romantiker ein Gedicht aus Thomas Moores orientalisch inspiriertem Epos Lalla Rockh gewählt.

Die Peri, ein aus welchem Grund auch immer in Sünde gefallener Engel, sucht sich durch diverse Gaben Wiedereintritt zu Allahs Throngefilden zu verschaffen. Der letzte Blutstropfen eines Kriegers und der letzte Seufzer eines Liebespaars zeigen keine Wirkung. Die Träne eines reuigen Sünders öffnet ihr, Gott sei Dank, die Himmelspforten.

Das Thema der Entsühnung wirkt wagnernah, die Musik Schumanns jedoch fließt über weite Strecken in frühlingshafter Licht- und Sanftheit dahin; liedhaft erzählende Passagen werden behände mit ariosen Teilen verflochten. Die Portionierung des Geschehens in Häppchen hält die Aufmerksamkeit einigermaßen aufrecht.

Wundervoll das kurze Zögern, das Innehalten, die Behutsamkeit, zu der Sir Simon Rattle die Streicher zu Beginn des Werkes anhielt, und auch sonst hatte das Dauerlächeln des Briten samstagnachmittags im Musikvereinssaal gute Gründe. Die Wiener Philharmoniker, genauer: jener Teil des Orchesters, der nicht beim Gastspiel der Staatsoper in Japan weilt, musizierten bis auf wenige Ausnahmen mit tadelloser, geschmeidiger Fügsamkeit.

Delikat auch der Arnold Schönberg Chor (etwa beim Chor der Nilgenien ), mehr oder minder erfolgreich um Spitzenklasse bemüht das Solistenesextett (Annette Dasch, Susan Gritton, Bernarda Fink, Topi Lehtipuu, Andrew Staples, Florian Bösch). Die Erstgenannte ließ als Peri durch ihre bemerkenswert reizvolle Aufmachung zumindest mutmaßen, aus welchem Grund der holde Engel denn aus den himmlischen Gefilden verbannt worden sein könnte.  (Stefan Ender, DER STANDARD, 22.10.2012)