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Die Frauen von Pussy Riot sollen religiöse Gefühle verletzt haben. Zwei von ihnen - Nadeschda Tolokonnikowa und Maria Alechina - wurden nun ins Straflager überstellt. Jekaterina Samuzewitsch (re.) kam am 10. Oktober frei.

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Rapper Sido wurde wegen eines Faustschlags gegen Dominic Heinzl der Vertrag mit dem ORF gekündigt.

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Heute könnte man versucht sein, brandaktuell über den Faustschlag eines Rappers auf einen Gesellschaftsreporter nachzudenken. Und ob der in Ordnung war oder nicht. Oder, schon ein wenig verstaubt, weil schon über eine Woche her, darüber, was Felix Baumgartner der Menschheit beschert hat mit seinem Sprung aus der Stratosphäre - außer vielleicht das Retrogefühl der Fernsehabende aus den 70er Jahren, dass zumindest für die paar Minuten alle das Gleiche geschaut haben.

Heute sind aber zwei Frauen der russischen Punkband Pussy Riot in ein Straflager gebracht worden. Hunderte Kilometer von ihren Familien entfernt, darunter ihre Kinder. Darüber lohnt es sich nachzudenken.

Unterschiede

Bei Sido geht es um Selbstdarstellung und Selbstgestaltung. Und den Skandal, dass er doch nur ein Prügelrapper ist. Die Damen von Pussy Riot sind junge Frauen, die versuchen, ihr Land zu gestalten, jetzt, wenn sie noch jung sind und im Saft. In einem Umfeld, das so etwas nicht toleriert. Die haben jetzt nicht einfach irgendeinen privilegierten Job verloren. Wenn der Mensch auszuckt, hat er meistens vorher gelitten. Beim Rapper Sido braucht's nur die lästige Wanzenhaftigkeit eines Dominic Heinzl, dass er straffällig wird. Weil eine Watschen ist verboten bei uns. Pussy Riot haben mit ihrem Auftritt anscheinend religiöse Gefühle verletzt. Tut man auch nicht. Aber was für ein Unterschied, was jetzt mit ihnen passiert.

Wie mag es ihnen ergehen, in ihrer Welt voller diktatorischer Willkür? Wie ist das Gefühl, wenn man nicht genau weiß, wie es mit Leib und Seele weitergeht? Als Mutter noch dazu, deren Sinne normalerweise in Richtung Orten und Bewahren von Gutem, Sicherem streben. Hier in unserem dicken, fetten, gemütlichen Österreich ist die Situation der beiden unvorstellbar. Gibt es eine Steigerung von Ausgeliefertsein? Bis wann bewahrt man sich so etwas wie Hoffnung?

Und die Welt? Die, die nur mehr aus Kameras, Computern und Berichterstattung zu bestehen scheint, kann nichts ausrichten gegen Praktiken, die an mittelalterliche Hexenverfolgungen erinnern. Damit meine ich jetzt nicht Sido und seinen Rauswurf beim ORF. (Heidi List, derStandard.at, 22.10.2012)