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In einem Punkt scheinen sich Wehrpflichtgegner und -befürworter immerhin einig zu sein: "Diese Heeresdebatte ist bizarr." - Hier ein wenig Illustrationsmaterial dazu aus der Werbeabteilung des Verteidigungsministeriums, mit MG (re.) und Bohrmaschine...

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Im Vorfeld der direktdemokratischen "Entscheidung" (sie ist rechtlich unverbindlich) über die Wehrpflicht in Österreich entwickelt sich ein bizarres Szenario. Hier der stets zivile Verteidigungsminister, äußerlich alles andere als ein Rambo-Typ, der vielleicht einst den Slogan "Soldaten sind Mörder" im Rahmen der JuSo-Bewegung vertreten und der nun plötzlich seine Vorliebe für martialisch aussehende " Austro-Marines" entdeckt hat (wobei die Waffen wie etwa Bohrmaschinen etc. (siehe Abb.) noch verbesserungswürdig wären, wir wollen ja kein Texas Chainsaw Massacre, sondern schlicht Umfassende Landesverteidung und völkerrechtlich veranlasste Solidaritätseinsätze laut Verfassung), dort der eher gemütlich wirkende, aber nicht zu unterschätzende General Entacher, der sich mehr und mehr zum unüberwindbaren Brückenkopf der Systemerhaltung aufgebaut hat.

Wem die Österreicher/-innen im Ernstfall lieber ihre Verteidigung vertrauen würden, mag von manchen ambivalent beurteilt werden; aber allein die konsequente, mutig-zähe und letztlich effiziente Strategie Entachers, mit der er schon einmal - anlässlich der Aufhebung seiner Suspendierung - seine politischen Gegner in fast demütigender Weise besiegt hat, verdient auch, militärisch betrachtet, Anerkennung. Viele ÖsterreicherInnen fühlen sich bei General Entacher gut aufgehoben und prophezeien ihm in einem fairen Meinungskampf auch den "Sieg" bei der Abstimmung.

Hingegen macht Minister Darabos derzeit eher den Eindruck, im Fall des Falles, vom Regierungsbunker in St. Johann aus agieren zu wollen, als sich selbst zu exponieren. Da schickt er lieber eine publizistische Elitetruppe ins Feld, die dem Generalstab ans Bein pinkelt, weil dort z. B. Männer bei Veranstaltungen servieren (was ja in einem Land, wo das sonst oftmals nur Frauen zugemutet wird, kein Schaden ist).

Die von der Boulevardpresse und einer Obristenkamarilla mit allen Mitteln betriebene Meinungsmache pro Berufsheer kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass derzeit der denkbar schlechteste Zeitpunkt für einen kompletten Paradigmenwechsel in der Wehrpolitik vorliegt.

Zum einen hat die Republik, schlicht kein Geld, um mit attraktiven Prämien Berufssoldaten zu ködern. Zum anderen ist die Gefahr, dass sich längerfristig eine rechts-rechts-lastige und womöglich sogar xenophob ausgerichtete Truppe ohne Verankerung in der Bevölkerung bildet, nicht zu unterschätzen. Derzeit stellt das Bundesheer, wenn das auch ein Armutszeugnis für die Integrationspolitik insgesamt sein mag, eine der effizientesten Organisation dar, in die Österreicher mit Migrationshintergrund rechtlich zwingend (!) eingebaut werden und gleich behandelt werden müssen. Ob ihnen allen auch de facto eine faire Behandlung widerfährt, vermag ich nicht zu beurteilen, aber soweit ich informiert bin, entwickeln sich viele der Betroffenen zu einer absolut motivierten Stütze unseres Heeres und wären auch bereit, die unliebsame Verteidigungsaufgabe im Ernstfall zu übernehmen.

Damit nicht genug, müssten auch die Ausfälle der Zivildiener bezahlt und schließlich die Hungerlöhne der zivilen Sanitäter/-innen endlich aufgedoppelt werden. Denn wer sich einmal mit den arbeits- und sozialrechtlichen Aspekten der Blaulichtorganisationen befasst hat, dem eröffnet sich ein Meer des Schreckens, in das die AK offenbar noch nie einen Fuß gesetzt hat.

Stattdessen äußern sich AK-Expertinnen, die vermutlich auch in Jane's Defence publizieren, statt sich um die Anliegen arbeitender Frauen zu kümmern, dazu, dass die Rolle der Frau in der verfassungsrechtlich vorgegebenen "Umfassenden Landesverteidigung" unterbelichtet sei. Da die Frauen im Heer und beim Zivildienst - verfassungsrechtlich betrachtet völlig zu Recht - gleich behandelt werden sollen, wäre es daher eine sinnvolle Option, wenn im Jänner auch über die Ausweitung der Wehrpflicht (mit dem Recht auf Ersatzdienst) auf Frauen abgestimmt wird. Denn das ist eine Option, welche die als gescheitert zu betrachtende, freiwillige Teilnahme von Frauen im Heeresdienst, grundlegend ändern würde.

Natürlich wäre das zunächst mit Kosten verbunden, würde aber das Mobbing, dem bisher die wenigen Zeitsoldatinnen ausgesetzt waren, schlagartig beenden, weil es mehr weibliche Rekrutinnen als Wehrdiener gäbe; auch würde der Bedarf an Ausbildnerinnen und Unteroffizierinnen steigen und den Frauen eine bessere Infrastruktur zur Verfügung stellen (wie zum Beispiel in Israel, welches das effizienteste Heer der Welt auf Basis einer strengen Wehrpflicht hat und dem Minister Darabos ja gerne politische Ratschläge erteilt oder gobal-politische Einschätzungen zukommen lässt).

Ich meine daher, dass es im Jänner drei Optionen geben sollte: Modernisierung des Heeres und Ausweitung der Wehrpflicht auf alle Österreicher/-innen; Beibehaltung des Status quo; Umstellung auf ein reines Berufsheer. (Gerhard Strejcek, DER STANDARD, 23.10.2012)