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Jugendliche bei einer Gedenkfeier für Amanda Todd in Maple Ridge (Kanada). Todds Selbstmord hat das Land erschüttert.

Foto: AP/The Canadian Press/Jonathan Hayward

Amanda Todd erlebt nicht mehr, was ihr Suizid ausgelöst hat. Auf speziellen Internet-Gedächtnisseiten hinterlassen Hunderttausende Mitleidsbezeugungen. In mehreren kanadischen Städten versammelten sich Menschen zu Kerzenmahnwachen. Und nicht nur die Polizei fahndet nach jenen, die den Teenager angeblich durch Cybermobbing in den Tod getrieben haben sollen.

Die Hackergruppe Anonymous behauptete nun, sie habe den Täter aufgespürt, einen 32-jährigen Mann, der Webseiten für minderjährige Mädchen frequentiere und sie dort bedroht haben soll. Die Hacker gaben eine Adresse in New Westminster bekannt, einer Stadt an der Westküste an der Grenze zu den USA. Kurz darauf erklärte indes die Polizei, dass die Personen an dieser Adresse nichts mit dem Fall zu tun hätten und warnte vor Selbstjustiz.

Die kanadische Fernsehgesellschaft CTV fand heraus, dass ein 19-jähriger Mann mit einem ähnlichen Namen sexueller Übergriffe auf Minderjährige beschuldigt wird, die aber nichts mit Todd zu tun haben. Der vermeintliche Verdächtige soll aber mit Todd befreundet gewesen sein und angegeben haben, ihr helfen zu wollen.

Aufgeheizte Stimmung

Anonymous veröffentlichte daraufhin den Namen eines zweiten "Verdächtigen" im US-Staat Wisconsin, der ein Profil auf einer Webseite für Kinderpornografie habe. Wie aufgeheizt die Stimmung ist, zeigt der Fall eines Angestellten eines Kleiderladens in der Provinz Ontario: Der Mann hatte einen bösen Kommentar über Todd im Internet veröffentlicht und wurde daraufhin von seinem Arbeitgeber entlassen.

Die kanadische Schülerin, die sich wie viele Teenager einsam, verletzlich und unverstanden fühlte, hatte mit zwölf Jahren Kontakte im Internet gesucht. Sie traf falsche Freunde, die sie überredeten, sich auf einer Webcam oben ohne zu zeigen. Das Bild wurde an Todds Familie, Freunde und Mitschüler geschickt, auf Facebook wurde eine falsche Seite unter ihrem Namen eingerichtet. Verzweifelt stellte die Schülerin ein Video auf Youtube, in dem sie auf weiße Karten geschriebene Botschaften veröffentlichte: "Ich habe niemanden. Ich brauche jemanden." Einen Monat später nahm sich die 15-jährige Todd das Leben.

"Ich brauche jemanden"

Auf Youtube hatte der Teenager enthüllt, dass Mädchen sie auf den Boden geworfen, getreten und den Vorfall gefilmt hätten, dass Burschen sie ausnützten und Unbekannte sie im Internet nach einem misslungenen Suizidversuch anfeuerten, es nochmals zu versuchen. Mehrfach wechselte sie die Schule, aber sie wurde die Angreifer nicht los. Sie verfiel in Depressionen, hatte Angstzustände und griff zu Drogen und Alkohol. Sie begann sich mit Messern zu verletzen und ging in die Beratung. Schließlich fand man sie tot in ihrem Elternhaus.

Der Suizid hat in Kanada für große Aufregung gesorgt und für eine Diskussion über Cyberbullying gesorgt. "Was Amanda passiert ist, sollte keinem Kind passieren", erklärte die Ministerpräsidentin der Provinz British Columbia, in der Amanda lebte: "Das Schlimmste daran ist, dass es absolut verhindert werden kann." (Bernadette Calonego aus Vancouver, DER STANDARD, 24.10.2012)