Eine Auswahl aus den Objekten, die Gregor Auenhammer in seinem gerade erschienenen Buch "Die Entdeckung Österreichs in 100 Objekten" gesammelt hat.

Der Steigbügel
"Misstrauet der Idylle!" Neben der legendären Mozartkugel, pittoresken Fiakern, Steffl, Wein- und Walzerseligkeit, der aussterbenden Spezies der Caféhäuser, der schönen blauen, in Wahrheit braun-kloakigen Donau, neben dem als originär alt-österreichisch gepriesenen billigen Las-Vegas-Imitat des Praters kennt man im Ausland auch die Lipizzaner. (...) Als Steigbügel wird die Fußstütze für den Reiter bezeichnet. Als Synonym der Hilfestellung: der Steigbügelhalter.

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Das Trojanische Pferd
Das Original war mehr als sechs Meter hoch, komplett aus Holz und subsumiert als stilisierte Nachbildung des mythologischen "Trojanischen Pferdes" aus Homers „Ilias" den Themenkreis, um das sich das Universum Alfred Hrdlickas zeit seines Lebens drehte. Es visualisierte Protest gegen Krieg, Faschismus, Gewalt, gegen Negation historischer Wahrheiten und tradiertes "Unter-den-Teppich-Kehren". Die Waldheim-Affäre initiierte eine Diskussion um Moral und Verantwortung.

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Ein Ziegelstein mit Doppeladler
Auf den ersten Blick sieht das Objekt aus wie ein ganz normaler Ziegelstein. Die rosarote Terrakotta hat bereits Patina angesetzt. Bei näherer Betrachtung aber sieht man, trotz leichter Blessuren, sowohl auf der Vorder- als auch der Rückseite des Quaders kunstvolle, feine Prägungen. Mittig prangt das Wappen der k. u. k. Monarchie Österreich-Ungarns, der Doppeladler. Rechts und links ein Emblem mit einem M beziehungsweise einem H. Der abgebildete Ziegelstein entstammt originär dem Mauerwerk eines klassischen Zinshauses im siebenten Wiener Gemeindebezirk.

Außer Dienst gestellt im Zuge der Zusammenlegung zweier Wohnungen im Mezzanin. Konkret ist er aus der bourgeoisen Beletage, der ehemaligen Hausherrenwohnung im ersten Stock. Ausgestattet wie viele Wohnungen des "Diamantengrundes", wie der Bezirk Neubau im Wiener Fin de Siècle genannt wurde, mit reich verzierten Stuckdecken, Sternparkettböden, Flügeltüren. Die Fenster des Salons zieren bunte Butzenscheiben. (...) Besagter Ziegelstein repräsentiert die bis heute hohe Qualität der „Gründerzeit-Häuser" gutbürgerlicher Bezirke. Wohnen wurde zum Fokus des modernen, mondänen Zentralgestirns der am Zenit befindlichen Monarchie. Gleichsam der Tradition verpflichtet und Ursprung der Moderne. Die Hochkultur des Fin de Siècle fand statt in Bereichen der Literatur, der Architektur, der Medizin, der Musik, der Philosophie, der Begründung der Psychoanalyse, der Gesellschaft et alii. Die Architektur damaliger Bauten prägt bis heute den visuellen, imperialen Charakter der Stadt. Schade nur, dass oft nicht sorgsam mit diesem Erbe umgegangen wird. Nichts gegen moderne Architektur! Im Gegenteil - wie phänomenal-lebenswert-utopische Visionen beweisen.

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Sigmund Freuds Couch
Das Original steht heute in Londons Stadtteil Hampstead. Bis zu Sigmund Freuds Flucht vor dem Nazi-Regime 1938 ins Exil nach Großbritannien stand das für Geschichte und Methodik der Psychotherapie enorm wichtige Möbel in Freuds Ordination in der Wiener Berggasse 19. Die Rede ist von der Couch, auf der Sigmund Freud (1856-1939) seine Patienten mittels Gesprächstherapie heilte. Als Erkenntnis seiner langjährigen Studien in Bezug auf psychische Auffälligkeiten und persönlichkeitsbezogene Krankheiten entstand die von ihm erarbeitete räumliche Anordnung.

Die ideale Situation zur von Freud entwickelten Gesprächstherapie sah vor, dass der Patient - den Blick abgewandt vom neben ihm auf einem Sessel sitzenden Therapeuten - auf einer Couch entspannt ausgebreitet lag und dem Zuhörenden - frei assoziierend - Erlebnisse, Träume, Ängste, Begierden, sexuelle Wünsche, triebhafte Fantasien und Traumatisierungen offenbarte. Fantastisch, was dieses obskure Objekt an Geschichte in sich birgt. Welche Geschichten es erlebt hat, welche Vielzahl an Emotionen wie Libido, Liebe, Verzweiflung, Hass, welche sexuelle Spannung es verspürt hat, welche Erkenntnisse es für die Objektivierung der Subjektivität geliefert hat. Offenbarungen des „Bewussten, des Unbewussten und des Unterbewussten". Sämtliche Typologien psychoanalytischer Thesen und Lehren sind einst ad personam auf der Couch gelegen: Patienten, die Ödipus, Narziss, Eros, Thanatos und viele andere Synonyme der psychoanalytischen Theorie wie auch "Es, Ich und Über-Ich" personifizierten. (...) Beschämend, dass seit Ende des Zweiten Weltkriegs nichts (...) unternommen wurde, Freuds historisch relevantes Interieur nach Wien, in die Heimat der Traumdeutung und der Psychoanalyse zurückzuholen. Aber auch diese Unterlassung sagt etwas aus über Österreich.

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Arnold Schwarzeneggers Hanteln
Im besten Fall belächelt wurden damals, gemäß üblichen Usancen austriakischer Überheblichkeit - am Bier- und Stelzenmedian - Schwarzeneggers Avancen bezüglich professionellen Körperkults, jenseits von Krügelstemmen und Bedienen der TV-Fernbedienung. (...) Im Sinne der über Jahrhunderte gepflegten und perfektionierten österreichischen Tradition der Heirats- und Hausmachtpolitik katapultierte sich die "Styrian Oak" - die "steirische Eiche" - intelligent, mit Verve und Empathie, mit Sympathie und einer gewitzten, klugen Selbstironie in den Orbit des globalen Universums der Macht.

Als Netzwerker nutzte er die Meriten seiner Karriere als Bodybuilder, als x-facher Mister Universum, und wurde vom begnadetsten Ikonografen der Pop-Art, Andy Warhol, als Ikone der Postmoderne postuliert. Sein als King of Trash lukriertes Kapital vermehrte er sowohl mittels kluger Finanzinvestments als auch als Immobilientycoon und "Governator".

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Eine „deutsche Mark",
überreicht von Karlheinz Böhm
Unter der Ägide von Karlheinz Böhm unterstützt "Menschen für Menschen" zehn Regionen Äthiopiens. Es sind dies langfristig angelegte Hilfsprojekte, deren Prinzip "Hilfe zur Selbsthilfe" lautet. In den 30 Jahren ihres Bestehens hat die Organisation aus den vier Spenderländern Deutschland, Schweiz, Österreich und Belgien insgesamt rund 415 Millionen Euro erhalten und in Projekte in Äthiopien investiert. Zugute kommen die Spendengelder der Förderung von Bewässerungsanlagen, Landwirtschaft, Bildung, Frauen, Infrastruktur, Gesundheit, Sozialprojekten.

Eine beachtliche Bilanz. Österreich ist überhaupt unangefochtener Spendenweltmeister. Hilfsorganisationen, Initiativen wie "Nachbar in Not", "Licht ins Dunkel", die SOS-Kinderdörfer, die Caritas, das Rote Kreuz, der Verein Aids Life lukrieren Millionen an Geld- und Sachspenden, mit denen sie karitativ und vollkommen selbstlos einzelne Menschen und ganze Bevölkerungsgruppen unterstützen. Vielleicht stimmt die Fama vom "goldenen Wienerherz" doch?

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Das Wahlzuckerl
Inszenierung statt Ideologie! Spiele statt Brot, Action statt Aktion. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts wurden politische Inhalte durch Verpackung abgelöst. Anstelle Haltung und Meinung zu vertreten, gefiel sich ein Gros der um Gunst und Stimme der Wähler buhlenden Politiker aller Couleur immer öfter in der Rolle des stets in Kameras feixenden freundlichen Vermittlers. Mangels Rückgrat und einer global grassierenden Entscheidungsallergie. Der zunehmend sich als solcher verstehende Operettenstaat mutierte kollektiv zum Land des Lächelns. Allerdings nur vordergründig.

In Wahrheit hinterfotzig. Zudem wurden aufgrund empirischer Sozialforschung und der Bestärkung durch wissenschaftliche, stets unabhängige Meinungsforschung Geschenke verteilt: Wahlzuckerln. Um das demokratische Recht der freien Wahl halbwegs schmackhaft zu machen. Anstelle von Versprechen, an die man sich ernstfalls erinnern und deren Nichteinhaltung man reklamieren und einmahnen könnte. In Vorwahlzeiten werden diese reichlich der p.t. Wählerschaft in homöopathischen Dosen auf Wahlkampfveranstaltungen dargeboten.

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AEIOU - Monogramm
Erratisch, erratisch! Soll es "Alles Erdreich ist Oesterreich Untertan" oder „Austriae est imperare omni universo" bedeuten? Die Rede ist von einem bis heute ungelösten Rätsel. Der Habsburger Friedrich III., genannt "der Friedfertige", hatte als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches sowie Erzherzog von Österreich die Buchstabenfolge "AEIOU" ersonnen und postuliert, mannigfach verwendet und publiziert, ohne eine verlässliche Deutung hinterlassen zu haben. (...) Für den Herrscher galten die fünf Buchstaben als geheimnisvoller Code inconnu.

Er ließ sie als Signatur auf Tafelgeschirr, Münzen, auch auf und in profanen wie auch sakralen, klerikalen Bauwerken anbringen. (...) Der österreichischen Mentalität aber kommt der persönliche Wahlspruch Friedrichs am nächsten: "Rerum irrecuperabilium felix oblivio", was nichts anderes heißt als das bis heute im Volksmund gültige "Glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist".

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Die Mozartkugel
Würde man beim "Volk, begnadet für das Schöne", abgehaltenen Umfragen nach Geburtsort, Wirken oder gar dem hinterlassenen Œuvre Wolfgang Amadeus Mozarts Bedeutung beimessen, müsste man mit großer Wahrscheinlichkeit beschwerliche, oft ins Nirwana führende Pilgerfahrten - ohne eindeutiges Ziel - unternehmen. Einzig kulinarisch gibt man sich - immerhin - sattelfest und konnotiert mit dem "Woiferl" Mozart-Palatschinken, Mozarttorte, Mozarttaler und - vor allem - die Mozartkugel.

Süß wie seine Kompositionen. Ersonnen wurde sie, historischen Überlieferungen gemäß, 1890 vom Salzburger Konditor Paul Fürst. Originär nannte der k. u. k. Hoflieferant seine Kreation, erschaffen zum Andenken an des Bonvivants 100. Todestag, "Mozart-Bonbon". Mangels Patent- und Schutzrecht gab es bald jede Menge Epigonen, die das mehrschichtige Konfekt darboten.

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Ein Opernball-Krönchen
Außer Zweifel steht, dass der Opernball die Absolution der in jeder Hinsicht absolut perfektionierten Selbstinszenierung Österreichs als Operettenstaat darstellt. Imperiales Getöse inmitten des Fegefeuers der Eitelkeiten, kombiniert mit einem Schuss unfreiwilliger Komik und gespielter Selbstironie. Walzen stellt de facto die hochzivilisierte Form pfauenhaften Werbens, des Balzens, dar. Adel und Geldadel sitzen gerne und bewusst in der televisionären und multimedialen Auslage.

Wobei es sich um einen Irrtum handelt, dass das staatliche Tanzvergnügen, oder soll man eher sagen das Geschiebe und Schreiten auf ein und derselben, äußerst beschränkten Stelle, ein imperiales, adeliges Relikt der Monarchie sei. „Es war sehr schön, es hat uns sehr gefreut" bezog sich nicht auf einen Ballbesuch Kaiser Franz Josephs. Erst 1936 tanzte man über das Parkett der Oper.

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Die original Wiener Sachertorte
Frischen Windes bedarf es manchmal - Tradition mit Moderne verbindend - um wettbewerbsfähig zu bleiben. Derartiges muss der innovativen Chefin des noblen Hotel Sacher, Elisabeth Gürtler, wohl durch den Kopf gegangen sein, als sie vor einigen Jahren den Agent Provocateur, das Enfant terrible der österreichischen Kunstszene, Hermann Nitsch, für die Neugestaltung eines Klassikers, vielmehr dessen Ummantelung, engagiert hat: die Verpackung der Sachertorte. Seinem Stil treu bleibend, bereicherte er das Papier mit der Reproduktion eines Schüttbildes.

Nitsch, schwierig und sublim wie immer, nahm den Auftrag an, lieferte aber kein typisches, sofort als "echter Nitsch" erkennbares Schüttbild, sondern überraschte subtil mit anderer Farbe. Perfiderweise war es nämlich nicht blutrot, sondern in zart divergierenden grünen Nuancen gehalten. Was sein Antrieb, sein Hintergedanke dabei war, bleibt im Bereich des Okkulten. Perfides Spiel mit Erwartungshaltungen oder bewusste Täuschung enttäuschter Erregungsindikatoren?

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Die Sockenhalter von Hans Moser
"Wo sind meine Sockenhalter? Wo sind schon wieder meine Sockenhalter? Mariann'!", herrscht Hans Moser als Zauberkönig in einer aus dem Jahr 1961 datierenden legendären Inszenierung von Ödön von Horvaths "Geschichten aus dem Wiener Wald" seine Tochter an. Der cholerische Ausbruch markiert einen hysterischen Akt der Verzweiflung des gutbürgerlichen Geschäftsmannes gegen den Untergang, gegen den Verlust der Moral, der Ethik, des Aufbegehrens, wider das Entschwinden einer geordneten Welt mit Recht und Ordnung, Wissen und Gewissen. (...)

Was "die Leit'", die anderen denken ist dem bourgeois determinierten Vater wichtiger als Gefühle gegenüber seiner eigenen, einzigen, in Wahrheit abgöttisch geliebten Tochter. Eine einfühlsame, großartige, tiefenpsychologische Studie der Gesellschaft. Tragisch. Ein Sittenbild der in den Untergang tanzenden, in die Katastrophe des verbrecherischen Nazi-Regimes mündenden postmonarchistisch pubertierenden Demokratie.

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Eck-Akroterie von Otto Wagner
Den Himmel über Wien beschützen sie, die metallenen Engel. Mit kontemplativer, ernsthafter Miene. Hellseherisch könnte man Otto Wagners Positionierung segensreicher Engel auf der Postsparcasse am Ring deuten. Beherrscht Gott Mammon doch unser aller Leben. Engel, egal ob abendländischer oder heidnisch-antiker Herkunft, beschützen das monetäre Gut.

Angesichts der akuten Wirtschaftskrise, der offensichtlichen Überforderung, der öffentlich zur Schau gestellten Hilflosigkeit nationaler wie internationaler Experten, wie das aus den Fugen geratene globalisierte Finanz- und Weltwirtschaftssystem wieder in den Griff zu bekommen sei, ist es wahrscheinlich besser, traditionellen Schutzengeln zu trauen.

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Ein Geldkoffer
Es war einmal ... vor gar nicht allzu langer Zeit, in einem Land, von dem man sagte, es liege im Herzen Europas, ein Aktenkoffer. Sein Äußeres war von anmutiger Erscheinung und schlichter Eleganz. (...) Eines Tages trat er in den Dienst eines feinen Herrn mit guten Manieren. Glaubt man den Berichten, mauserte er sich rasch zu einem wahrhaft polyglotten Koffer. Weitgereist und allseits beliebt. Heiß ersehnt und oft begehrt. Es kam nämlich dazu, dass er mit anderen Koffern in Verbindung trat.

Vermittler hatten Kontakte hergestellt, es kam zu einem regen interaktiven Austausch, in der Folge zu einer intensiven Beziehung. Rein geschäftlich, hochprofessionell, versteht sich! Er lieferte Aufträge, ein anderer Kuverts. (...) Zunächst unternahm der Koffer Exkursionen in Amtshäuser, Kanzleien, Büros, öffentliche Spitäler, Vorstandsbüros und Ministerien. Der Koffer wurde auf Yachten mitgenommen und auf Jagdausflüge (...) rund um den Globus. Ein beneidenswertes Leben in Saus und Braus. Alles lief wie geschmiert. (...) "Factum est: Es gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung!"

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Der "Staatsvertrag"
"Österreich ist frei!" Mit diesen wahrlich historischen Worten präsentierte Außenminister Leopold Figl am 15. Mai 1955 den soeben unterfertigten sogenannten Staatsvertrag den jubelnden Zuschauern vom Balkon des Schloss Belvedere aus. Dort nahm er die Hände der Vertreter der vier Alliierten, der vier Außenminister Dulles, Molotow, MacMillan und Pinay, und legte sie ineinander. Ein symbolischer Akt. Eine Inszenierung, wie sie selbst auf den renommierten Bühnen des Landes nicht besser gelingen könnte.

Vorangegangen waren dem befreienden, Österreich seine staatliche Souveränität wiedergebenden Vertrag lange und zähe Verhandlungen. (...) Legendär auch der körperliche Einsatz inklusive Wein und Gesang. Dargestellt in einer Karikatur (...), als Figl mit einem Glas in der Hand und einer Zither am Tisch im Kreis der vier Besatzungsmächte mit leichtem Zungenschlag fabuliert: " Und jetzt sing ma ihna no die Reblaus, und dann kömma unterzeichnen."

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Ein Anti-Atomkraft-Button
Die „lachende Sonne" stellt das erste hierzulande öffentlich zur Schau getragene Zeichen zivilen Ungehorsams dar. Der Frage nach „Atomkraft?" folgt ein mehr oder minder freundliches "Nein danke". Als Button am Revers getragen, wurde sie Mitte der 1970er-Jahre zum Symbol der Zivilcourage, des basisdemokratischen Widerstandes. Die "Anti-Atomkraft-Bewegung" ist de facto Österreichs erste soziale Bewegung jenseits von Parteigrenzen. De facto stellt sie die Urmutter heutiger Mut- und Wutbürger dar.

Vor allem die juvenile, Wert und Sinn des Lebens hinterfragende Bourgeoisie, die begonnen hatte, sich mit Recht und Unrecht, mit Demokratie, Rechten und Pflichten der zum entrechteten, aber brav Steuern zahlenden Stimmvieh degradierten Bevölkerung auseinanderzusetzen, mutierte zur aktiven Bürgergesellschaft. Langsam, aber stetig entstand eine Art Bürgerrechtsbewegung, eine intellektuell und emotional geleitete geistige Résistance. Wider Establishment, Ressentiments, Intoleranz und Bevormundung. Gegen das Vorrecht des Kapitalismus und des rein nach utilitaristischen Parametern ausgerichteten Lebens.

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Rudi Gernreichs Monokini
Wow! Was für ein Objekt. Ein Aphrodisiakum. Ein erotisierendes Design, stammend aus einer Ära, in der hierzulande sogar ein Bikini noch für "Erregung öffentlichen Ärgernisses" sorgte. Die bei Bademoden diffizile Entscheidung, die Waage zwischen Verhüllung und Enthüllung zu halten, fällt hier eindeutig zugunsten der Entblößung aus.

Des 1938 vor den Nazis in die USA geflohenen Tänzers, Homosexuellen-Aktivisten, Couturiers und Filmausstatters modische Provokation ist durchaus als gesellschaftliches Statement wider Stillstand, wider das Establishment, für Befreiung und körperliche, sexuelle Freiheit zu verstehen, ist zwar, von hinten betrachtet, wie ein klassischer Badeanzug geschnitten, von vorne allerdings glänzt der Einteiler durch Aussparung. Den Monokini, im Sinne coolen Understatements, als Reduktion auf das Wesentliche zu apostrophieren bedarf jedoch einer gewissen Chuzpe.

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Das Dirndl
Fast alle der männlichen Besucher des Jägerballs erblöden sich, regressiv in den prähistorischen Status des primitiven Jägers und Sammlers zurückfallend, „auf die Pirsch zu gehen" und den „Hasen" nachzustellen. Und den „Haserln" ist es nicht zu dumm, sich als solche zu präsentieren, als Freiwild den Jägern ihre Dekolletés am Tablett zu servieren. "Ausg'steckt is' ..." im Land der Berge, Land der Täler. Bizarr in dem Zusammenhang das Statement der Grande Dame der Trachtenmode, Gexi Tostmann, die mit der Inbrunst ernsthafter Überzeugung gar meinte, dass "das Dirndl das einzig wahre Kleidungsstück der Emanzipation sei".

Mit der Möglichkeit, sich von der besten Seite zu präsentieren. (...) So gesehen sind Pamela Anderson als "Barb Wire" oder alle Playboy-Bunnys dieser Welt wohl Ikonen der Emanzipation!? Wenn dem so wäre, dann müsste sich die österreichische Bevölkerung weinend vor Glück in die Arme fallen, dann könnte Österreich sich so immens glücklich schätzen, dass es, enthusiasmiert durch den Push-up-Effekt des Dirndls, statt nach ökonomischem Triple-A zu streben, testosterongesteuert nach einem Double-D trachten müsste.

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Oskar Werners Lorbeerkranz
Ausgehend von der tradierten, lange Zeit voraussichtlich mit Wahrhaftigkeit erfüllten These, dass Wien ein Paradigma des Scheiterns und Sterbens schlechthin sei, kann, nein muss Oskar Werner in seinem Bestreben nach jugendlichem Glanz nur die personifizierte Antithese dazu gewesen sein. Lorbeerbekränzt rezitierte er einstmals ein Sonett von Heinrich Heine: "Ich hab in meinen jungen Tagen / wohl einen grünen Kranz getragen / ein Glanze in dem Kranze lag ...".

Der als Oskar Josef Bschließmayer in Wien geborene Schauspieler - ein hochsensibler, leicht larmoyanter, aber virtuoser Protagonist der Kunst der Illusion - war beseelt von der Suche, dem Streben nach ewiger Jugend, nach Empathie und ehrlicher Emotion. Die Fragilität seiner sonoren Stimme war Synonym für die Zerbrechlichkeit des Daseins. Belehnt mit güldenen Pastoralwürden, surrealen Fronleichnamsprozessionen sowie kaskadenschlagenden Epigonen.

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Die Saliera
Wäre sie im Mai 2003 nicht gestohlen worden, würde sie wahrscheinlich heute noch in einem finsteren Winkel stehen und wäre nur einer kleinen Gemeinde enthusiastischer Kunstliebhaber bekannt.

Seit sie aber das obskure Objekt der Begierde im Zuge eines eher zufälligen, aber spektakulären und enorm öffentlichkeitswirksamen Kunstraubes geworden war, zählt sie zu den wertvollsten, am meisten beachteten, medial vermarkteten, ja beinahe kultisch verehrten Exponaten des Kunsthistorischen Museums: die Saliera, ein aus Goldblech getriebenes, 26 cm hohes, auf Ebenholz positioniertes Salz- und Pfefferfass. Eine aus der Manufaktur Benvenuto Cellinis stammende Goldschmiedearbeit, ein schmuckes Designobjekt des alltäglichen imperialen Gebrauchs.

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Das "Attersteck"
Eine ideale Symbiose von kulinarischem, künstlerischem und fleischlichem Genuss ersann Christian Ludwig Attersee Mitte der 1960er-Jahre als juveniler, aufstrebender Künstler. "Der Pop-Künstler findet, ich dagegen erfinde", proklamierte er lautstark, selbstbewusst und öffentlichkeitswirksam. Eine der Erfindungen, die der kakanischen Selbstbestimmung als Wesen, das in Erwartung des Elysiums ewigen Genusses geboren wird, entspricht, ist das dreiteilige „Attersteck". Es bestand aus Suppenschwammlöffel, Zeichengabel und Speisepflug. (...) Vorangegangen waren dieser Installation Werke mit sprechenden Namen wie "Fingerimbiss" oder "Speisekugeln" (...) Der Huldigung fleischlichen Genusses entspricht die erotische Werkgruppe mit "Gliedschmuckparade", "Schampferd", "Würfelbüstenhalter".

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Ein Haarschopf Mozarts
"Trazom", wie sich das zwischen infantiler Ehrlichkeit, naiver Direktheit und frivoler Deftigkeit oszillierende Musikgenie verspielt gespiegelt gerne selbst nannte, wäre wohl ergriffen und entzückt bei der Visite seines Salzburger Geburtshauses, das längst zur mythenreichen Pilgerstätte von Liebhabern klassischer Musik mutierte. (...) Die außergewöhnlichste, der austriakischen Nekrophilie entsprechende Devotionalie aber stellt mit Sicherheit ein in einer Vitrine auf rotem Samt gebetteter Haarschopf dar.

Besser wäre es aber gewesen, das sensible, in so jungen Jahren viel zu früh verstorbene tragische Genie Wolfgang Amadé zu Lebzeiten etwas feinfühliger zu behandeln, zu achten und zu schützen. Es hätte ja nicht gleich ein Glassturz sein müssen.

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Hermann Maiers goldgelber Helm
In Anlehnung an die Kunstfigur des Terminators wurde Hermann Maier das Epitheton ornans Herminator verliehen. Anlass der Namensgebung war das „Wunder von Nagano". Maier war beim olympischen Abfahrtslauf nach nur 18 Sekunden gestürzt, hatte schwere Verletzungen erlitten. Am dritten Tage war er, siegeswillig, wieder "auferstanden" und gewann zwei Goldmedaillen.

Ein Gladiator im modernen Circus maximus der televisionären Welt, ohne Furcht und Tadel, ohne schützende Rüstung, um viel Ehr' und Mammon ritternd. Würde man dem p. t. Publikum heute die Frage stellen, welche Farbe sein lebensrettender Helm damals hatte, bekäme man zu 99 Prozent die Antwort "Goldgelb - wie immer". Die richtige Antwort aber lautet, entgegen der durch Werbung wirkungsvoll suggerierten Wahrnehmung, anders.

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Der Matrosenanzug
Ein typisch österreichisches Paradoxon als Klassiker. Das Kleidungsstück, mit dem weltweit ad hoc Wien verbunden wird, ist der Matrosenanzug. Grotesk, bizarr angesichts des Umstandes, dass Österreich ein Binnenland ist. Der Anzug, der sofort zur Assoziation verleitet, ist jener der Wiener Sängerknaben (...). Heute sind sonst nur noch Donald Duck, seine Neffen Tick, Trick & Track aktive Vertreter der modisch-alpin-maritimen Spezies.

Russkaja, die furiose Haus-und-Hof-Band in Stermann/Grissemanns Late-Night-Show "Willkommen Österreich" tragen ironisierend blitzblanke Matrosenanzüge. Augenzwinkernde Hommagen an die Zauber der Montur: kokett Lena Hoschek, Karl "des Großen" Lagerfelds "Cruise-Collection", Jean-Paul Gaultiers ...

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Rot-weiß-roter Faden: Die Entdeckung Österreichs. Wir verlosen fünf Exemplare der Österreich-Karte der Ikonen von Gregor Auenhammer. (Text und Fotos: Metro Verlag, DER STANDARD, 25./26.10.2012)

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