Eine Zweitfrau ist nicht leicht zu finden: Lovie Poe in Brillante Mendozas Filmdrama "Sinapupunan".

Foto: Viennale

Dem westlichen Betrachter mag Nora Aunor nicht viel sagen, doch auf den Philippinen ist die 59 Jahre alte Schauspielerin und Sängerin ein Star. In vielen Fernsehserien spielt sie mit, mit dem Filmemacher Lino Brocka - dem die Viennale vor einigen Jahren ein Tribute widmete - hat sie gedreht und in Ishmael Bernals Melodrama Himala (1982) die Hauptrolle übernommen, eine junge Frau, der in einem einsam stehenden Baum die Jungfrau Maria erscheint.

Im jüngeren, ambitionierten philippinischen Kino rund um Regisseure wie Brillante Mendoza, Raya Martin oder Lav Diaz ist sie bisher nicht aufgetaucht, doch nun gibt sie Shahela, die Protagonistin von Sinapupunan (Thy Womb). So heißt der neue Film von Brillante Mendoza, der zuletzt, in dem Geiseldrama Captive, den französischen Star Isabelle Huppert in den philippinischen Dschungel versetzte.

Muslimischer Archipel

Shahela und Bangas-An (Bembol Roco) sind ein Paar, er ist Fischer, sie arbeitet als Hebamme, ein Zubrot verdienen sie sich, indem sie Bastmatten flechten. Sie leben in einer symbiotischen Beziehung miteinander und mit dem Meer, das sie umgibt. Ihr kleines Haus steht auf Stelzen im Wasser, ihr Boot ist ihr wichtigstes Überlebenswerkzeug. Festen Grund haben die beiden selten unter den Füßen, denn der Film spielt in einem Archipel im Süden der Philippinen, und auf diese besondere Topografie blicken Brillante Mendoza und der Kameramann Odyssey Flores mit großer Neugier - genauso wie auf den Umstand, dass der Archipel muslimisch geprägt ist.

Feste und Zeremonien sind auf fast schwelgerische Weise in Szene gesetzt, die Verrichtungen des Alltags wiederum werden mit fast anthropologischer Akribie verzeichnet.

Shahela und Bangas-An haben ein Problem. Sie können keine Kinder bekommen. Die Lösung scheint darin zu liegen, eine Zweitfrau für Bangas-An zu finden. Mit dieser Konstellation führt Sinapupunan mitten hinein ins Herz eines glasklaren melodramatischen Konflikts. Es gibt eine Liebe, die mit sich selbst im Reinen ist, doch die Tradition und die Gesellschaft verlangen etwas anderes. Und das, was Tradition und Gesellschaft gebieten, lässt wiederum die Liebenden in ihren Wünschen und Vorstellungen nicht unberührt.

Also versuchen sie, ihr Sehnen und die halb von außen an sie herangetragenen, halb verinnerlichten Anforderungen zur Deckung zu bringen. Das geht nicht ohne Schmerz, Entsagung und Selbstverleugnung. Die Gesichter von Nora Aunor und Bembol Roco legen davon auf subtile Weise Zeugnis ab.

Hohes Brautgeld

Die Schwierigkeiten beginnen bereits damit, dass eine Zweitfrau nicht ohne weiteres zu finden ist. Durch Sturm und Regen fahren Shahela und Bangas-An von Insel zu Insel auf der Suche nach einer Braut in spe, sie verhandeln mit jenem Heiratsvermittler und dieser Kupplerin, doch Erfolg haben sie nicht. Ein hohes Brautgeld, das wird den beiden allmählich bewusst, wird nötig sein. Schweren Herzens entscheiden sie sich, ihr Boot verkaufen.

Man ahnt, dass das nicht gutgehen wird, und weiß zugleich, dass Mendoza mit Sinapupunan ein Film geglückt ist, der das Ringen von individuellem Glück und gesellschaftlichen Vorgaben auf beeindruckende Weise anschaulich macht.  (Cristina Nord, Spezial, DER STANDARD, 27./28.10.2012)