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Tausende Besucher stürmten am Nationalfeiertag den Wiener Heldenplatz: Während Präsident Heinz Fischer für die Rekruten ein Plädoyer für die Wehrpflicht hielt, turnten Kinder auf Panzern herum.

Foto: APA/Neubauer

Wien - Der Vater drängt sich nervös durch die Menschenmenge. Sein Blick ist auf die Videoleinwand geheftet. "Hast unsren schon gesehen? War er schon dran?", fragt er aufgeregt seine Frau, die hinter ihm drängt. Sie schüttelt den Kopf. "Unsrer" ist der Sohn, und er steht mitten drinnen unter den tausend Rekruten, die auf dem Heldenplatz angelobt werden.

Es ist Nationalfeiertag, und mit den Rekruten und dem Heer feiert das offizielle Österreich - für die tausenden Besucher wird das alles auf Leinwänden übertragen. Die Bundesregierung hat sich aufgereiht, an vorderster Front stehen Präsident Heinz Fischer, Kanzler Werner Faymann (SPÖ), Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) - und neben ihm Generalstabschef Edmund Entacher.

Die beiden haben einander wenig zu sagen. Darabos will Entacher loswerden, weil der seine Pläne für ein Berufsheer nicht goutiert, Entacher ist entschlossen zu bleiben. Während der Zeremonie wechseln sie keinen Blick. Und die Streitfrage Berufsheer oder Wehrpflicht ist auch Thema bei den Besuchern.

Junge Männer diskutieren über Sinn und Unsinn des aktuellen Heeres. Den Wehrdienst abschaffen? "Das ist doch Irrsinn." Den Wehrdienst beibehalten? "Eine Zwangsverpflichtung junger Männer ist eine Ungerechtigkeit."

Rummel mit Kriegsmaterial

Einen verbalen Schlagabtausch gibt es unter den politischen Rednern. Während Darabos erwartungsgemäß davon spricht, dass sich das Bundesheer ändern müsse, gibt Wehrpflicht-Befürworter Fischer Kontra. Das Heer sei Aufgabe "für das gesamte Volk", sagt er. Es erfülle diese Aufgabe auf " professionelle Weise", betont er.

Für die meisten der Besucher ist das Bundesheer jedoch nur am Rande wichtig. Der Heldenplatz gleicht einem Rummelplatz mit Kriegswerkzeug. Kinder turnen in Hubschraubern, schauen durch Fernsichtgläser und Zielfernrohre von Maschinengewehren. Die Älteren bewundern den ausgestellten Eurofighter ("schon eine Wahnsinnstechnik") und die Black Hawks ("viel größer, als ich mir gedacht habe").

Die Reden der Politiker interessieren weniger als die Versorgungsstationen, die zwischen dem Kriegsmaterial aufgebaut sind: Essens- und Trinkzelte gibt es in Mengen, Würstelbuden stehen neben Kaffeewagen und Standln mit Glühwein und Sturm, dazwischen Schaumrollen, Zuckerwatte und Lebkuchenherzen.

"Is des der Maschek oder is des der Echte?", grinst ein Mann in die Runde und beißt in seinen Hotdog. Auf der Leinwand ist Werner Faymann zu sehen - Maschek ist die Kabarett-Gruppe, die den Kanzler gerne aufs Korn nimmt.

Der Kanzler sagt, man könne stolz auf Österreich sein, stolz auf die Solidarität im Land und dass das Gemeinsame immer über das Trennende gestellt werde. Er überzeugt: Sosehr er zu Beginn gespöttelt hat, so sehr applaudiert der Mann am Ende der Rede.

Der Nationalfeiertag startet jedes Jahr mit der traditionellen Kranzniederlegung in der Krypta am Heldenplatz. Fischer ist auch dieses Jahr der Erste, der einen Kranz niederlegt - flankiert von Darabos und Entacher, und erstmals an neuer Stelle. Es wird nicht mehr am Denkmal des "Toten Soldaten" niedergelegt, sondern bei der Tafel für im Einsatz verstorbene Soldaten.

Am Nachmittag dann noch eine weitere Attraktivität: Die Ministerien, die in Gehweite des Heldenplatzes liegen, haben für Besucher geöffnet. So schüttelt etwa Fischer in der Hofburg Hände, Faymann im Bundeskanzleramt und Vizekanzler Michael Spindelegger im Außenministerium.

Eine Veranstaltung anderer Art gab es am Ex-Militärschießplatz in Kagran: Das Personenkomitee "Gerechtigkeit für die Opfer der "NS-Militärjustiz" gedachte gemeinsam mit Politikern der Grünen Wehrmachtsdeserteuren mit einer Kranzniederlegung. (Saskia Jungnikl, DER STANDARD, 27./28.10.2012)