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Der iranische Präsident darf nicht jeden im Gefängnis besuchen.

Foto: EPA/ABEDIN TAHERKENAREH

Der iranische Präsident Mahmud Ahmadi-Nejad scheint es darauf angelegt zu haben, seine zweite Amtszeit, die 2013 ausläuft, doch nicht mehr zu Ende zu bringen. Sein letzter Streit mit der iranischen Justiz ist so eskaliert, dass ihn manche seiner Kritiker bereits im Evin-Gefängnis sehen, in dem er vor ein paar Tagen seinen früheren Presseberater Ali Akbar Javanfekr besuchen wollte. Was ihm die Justizbehörden jedoch verweigerten, zum zweiten Mal.

Justizchef Sadegh Larijani - ein Bruder des Parlamentspräsidenten Ali Larijani, ein prononcierter Gegner Ahmadi-Nejads - ließ dem Präsidenten quasi ausrichten, er solle sich ums Regieren kümmern. Ahmadi-Nejad konterte mit einem Brief, in dem er auf seine Rechte und Pflichten als Regierungschef pochte und Konsequenzen androhte. Aber in Wahrheit zeigen sich hier einmal mehr die beschränkten Rechte eines iranischen Präsidenten: Die Justiz ist Sache des religiösen Führers.

Die Verhaftung Javanfekrs im vergangenen September, gerade als Ahmadi-Nejad bei der Uno-Vollversammlung in New York war, wurde als weiterer Beweis für die bis zum Status der Einflusslosigkeit geschwundene Macht des iranischen Präsidenten gesehen. Er kann seine Leute nicht mehr schützen, war die Botschaft. Es ist eine irre, wirre Geschichte, die Ali Akbar Javanfekr ins Gefängnis brachte. Der 63-Jährige wurde verhaftet, um eine sechsmonatige Gefängnisstrafe abzusitzen, ein erstes Urteil hatte sogar auf ein Jahr gelautet. Javanfekr war in seiner Position als Presseberater des Präsidenten, als Chef der Nachrichtenagentur Irna, als Chef des Presse- und Kulturinstituts der Irna und als Chefredakteur der Zeitung Iran ein mächtiger Mann, bevor er wegen Medienverstößen - genauer gesagt "Veröffentlichung von Material, das den islamischen Normen widerspricht" - Schwierigkeiten bekam. In einem Magazin hatte er eine Serie von Artikeln über die islamischen Bekleidungsvorschriften veröffentlicht, wo unter anderem behauptet wurde, der Tschador in seiner heutigen Form sei ein kulturfremder Import aus Frankreich, besonders seine schwarze Farbe.

Frauenversteher Ahmadi-Nejad

Das ist besonders interessant, wenn man es in Zusammenhang mit Ahmadi-Nejads Versuchen setzt, in den vergangenen Jahren, als er kontinuierlich Einfluss in konservativen Kreisen verlor, bei der weiblichen Wählerschaft zu punkten: Mehr als einmal nahm er sie gegen die allzu strengen Regeln in Schutz und verteidigte ihre Rolle in der Gesellschaft. Aber was bleibt der Islamischen Republik denn anderes übrig, als das einzige, was sie zumindest optisch "islamisch" macht, nämlich die verhüllten Frauen, vehement zu verteidigen? Javanfekr gelang es nach seinem ersten Urteil zwar noch, die Beschuldigungen weitgehend zu entkräften, aber am Schluss blieb eine Beleidigung von Religionsführer Ali Khamenei hängen, die ihn auf ein halbes Jahr nach Evin brachte.

Der Fall Javanfekr war zum ersten Mal im November 2011 hochgekocht, als Polizei mit einem Durchsuchungsbefehl sein Büro stürmte, auf Widerstand der Mitarbeiter Javanfekrs stieß und diese mit Tränengas und Pfefferspray niederrang. Javanfekr wurde mit anderen festgenommen, aber später wieder auf freien Fuß gesetzt. Das Fass zum Überlaufen brachte dann offenbar ein Interview, das er der reformorientierten Zeitung Etemad gab, sowie sein Artikel in Iran, mit dem Titel "Eine unbedachte Aktion", in dem er Menschenrechtsverletzungen bei der Polizeiaktion beklagte. Das war seinerseits "unbedacht", denn der konservative Medienchor schwoll nun an, um ihm eine "noch nicht dagewesene Unterstützung Amerikas" vorzuwerfen. Denn die Vorwürfe gegen den Iran, er würde die Menschenrechte verletzen, stammten ja wohl von "Konterrevolutionären" und dem "amerikanisch-israelischen Aufruhr von 1388". Gemeint sind die Proteste nach der Wiederwahl von Ahmadi-Nejad im Jahr 2009, 1388 nach der islamischen Zeitrechnung.

Die Feinde der Islamischen Republik

Damals war der Aufruhr nota bene gegen Ahmadi-Nejad, der aber später durch sein nationalistisches Programm, das von vielen Konservativen als gegen den Islam gerichtet empfunden wurde, des „Abweichlertums" verdächtigt wurde. In einem Artikel des konservativen Ideologen Hossein Shariatmadari in Keyhan aus dem November 2011 wird Javanfekr beiden die Islamische Republik bedrohenden Strömungen zugerechnet: den "Aufrührern" und den "Abweichlern". Es ist faszinierend, wie Shariatmadari sogar den Bogen in die Zeit des iranisch-irakischen Krieges und die Zeit der großen Auseinandersetzung mit den Volksmujahedin schlägt. Heute hätten sich die Abweichler und die Aufrührer gegen die Islamische Republik zusammengeschlossen. Der Beweis dafür sei, dass Etemad der Protestbewegung von 2009 nahestehe und Javanfekr den Abweichlern rund um Ahmadi-Nejad. Alles klar? (derStandard.at, 28.10.2012)