Johannes Silberschneider als Adolf Hitler, Ulrich Tukur (li.) als " Wüstenfuchs" Erwin Rommel in Niki Steins Film "Rommel".

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Johannes Silberschneider

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STANDARD: Wie war das, als man fragte, ob Sie Adolf Hitler spielen würden?

Silberschneider: Ich dachte, es sei ein Irrtum, weil ich mich physiognomisch nicht als Hitler sehe. Ich wurde sonst eher als Goebbels besetzt. Und man hat mich gefragt, ob es für mich okay wäre, am Babelsberger Filmgelände 200 Meter im Kostüm zu gehen.

STANDARD: War das schwierig?

Silberschneider: Na ja, ich musste auch über die Straße gehen, mich so im öffentlichen Raum bewegen.

STANDARD: Was hat Sie überzeugt, die Rolle anzunehmen?

Silberschneider: Das Drehbuch. Ich habe geglaubt, das hat ein Militärhistoriker geschrieben, so genau war es. Ich sitze beim Lesen eines Drehbuchs mit Bleistift am Tisch und mache Anmerkungen. Hier gab es nichts zu notieren. Und es ist spannend wie ein Shakespeare-Königsdrama und ein investigativer Roman. Als ich dann gehört habe, dass der Ulli Tukur den Rommel spielt, war ich begeistert. Wir kennen uns schon lang.

STANDARD: Tukur sagt, nach "Rommel" wolle er keine Uniformen mehr tragen. Und Sie?

Silberschneider: Ich hab nie so viele Uniformen getragen wie er. Ich habe Juden und Nazis gespielt. Aber als junge Schauspieler haben wir gedacht, Hitler spielen kann jeder, da reicht es, einen Bart aufzukleben. Aber man muss sprachlich sehr genau sein. Den Hitler kriegt nur ein Österreicher hin.

STANDARD: Sie haben letztes Jahr Kurt Gödel in Daniel Kehlmanns " Geister in Princeton" gespielt. Was ist schwerer: das wahnsinnige Genie oder der wahnsinnige Diktator?

Silberschneider: Man muss sich immer öffnen, aber die Nacharbeit ist anders. Die Art, wie man Geister, die man rief, wieder loswird.

STANDARD: Als Helge Schneider Hitler spielte, diskutierte man darüber, ob man sich über ihn lustig machen darf. Wie sehen Sie das?

Silberschneider: Man kann jeden Menschen nur auf eine Weise spielen. Als Mensch. Wie auch immer der verführt oder missbraucht worden ist. Ich würde nie jemanden lächerlich machen wollen. Man kann Hitler nicht lächerlich machen, dann macht man die ganze Geschichte lächerlich. Im Dritten Reich war der Witz wichtig, aber wir haben einen viel größeren Abstand. Michael Hanekes Film Das weiße Band war ein Dekadensprung. Er zeigt, wie der Missbrauch der Kinder das System im 20. Jahrhundert zum Kippen brachte. Die mangelnde Empathiefähigkeit, der Rassengedanke - das hat ja eine Geschichte. Eine des Missbrauchs. Das spielt sich beim Österreicher im Keller ab.

STANDARD: Warum dann noch ein Film über Rommel?

Silberschneider: Die Arbeit von Niki Stein ist gelungen. Die hat nichts von Filmen der Generation, wo Regisseure versuchten, sich an einer Popfigur der Nazis wie Rommel abzureiben. Das ist ein differenziertes Anschauen einer scheiternden militärischen Figur, die in einem System gespalten ist.

STANDARD: Also hatten Filme über die NS-Zeit früher etwas von einer Selbsthilfegruppe?

Silberschneider: Ja, ich hatte oft das Gefühl, ich leiste Zelluloid-technische Sühne fürs 20. Jahrhundert.

STANDARD: Haben Sie für sich genug von Filmen über Nazis?

Silberschneider: Ich glaube schon. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 31.10./1.11.2012)