Da es wenig Sinn ergibt, über Filme zu schreiben, die Sie, wenn dieser Artikel erscheint, beim Festival nicht mehr sehen können und die voraussichtlich den Weg in die heimischen Kinos nicht finden werden, möchte ich über einen aktuellen österreichischen Spielfilm schreiben, der im Anschluss an die Viennale, am 16. 11., einen regulären Kinostart erleben wird.

Grenzgänger von Florian Flicker ist eine Adaption des Theaterstücks Der Weibsteufel von Karl Schönherr. Vielleicht erinnern sich manche noch an die Inszenierung des Stücks im Akademietheater, in der Birgit Minichmayer in der Hauptrolle endgültig ihren Ruhm begründete. Flickers Interpretation fällt freilich gänzlich anders aus. Er verlegt die Dreiecksgeschichte ins österreichische Grenzland kurz vor der Jahrtausendwende; der "Eiserne Vorhang" ist noch geschlossen, und bezahlt wird mit Schillingen. Aus Wilderer und Jäger werden bei Flicker, der auch für das Buch verantwortlich zeichnet, Schlepper und Grenzsoldat. Die Protagonisten der Dreiecksgeschichte agieren wortkarg, der "vierte, stumme Hauptdarsteller" - so der Regisseur - sei die Natur, die malerische Aulandschaft, gewesen.

Flickers Inszenierung setzt auf genaue

Beobachtung und kleine Gesten und Blicke. Die Dialoge sind äußerst präzise und pointiert gesetzt und wirken vollkommen authentisch.

Grenzgänger ist ein Stück - im besten Sinne des Worts - nationales/regionales Kino, so wie es sein soll. Das Milieu und die Charaktere sind glaubhaft gezeichnet, die Protagonisten sprechen im Dialekt und keineswegs in einem in Filmen immer unerträglichen " Theaterdeutsch". Der Drehort vermittelt einzigartiges Lokalkolorit, ohne dabei ins Kitschige oder Skurrile abzugleiten. Nach Suzie Washington beschäftigt sich Flicker hier erneut mit dem Thema der Migration.

Jana, eine junge, attraktive Slowakin, ist mit Hans, einem Fischer und Schlepper, verheiratet und wird vom Präsenzdiener Ronnie bedrängt, der von seinem Vorgesetzten den Befehl erhalten hat, ihr Avancen zu machen und sie dabei auszuspionieren. Alle drei sind sie mit ihrer derzeitigen Lebenssituation unzufrieden und würden gern "eh alles ändern". Im Laufe des Kammerspiels wird jeder jeden verraten.

Am undurchsichtigsten bleibt die Motivation des "Weibsteufels", der " Ausländerin", die als mystische Exotin inszeniert wird. Für den einen ist sie vor allem eine willkommene Arbeitskraft, für den anderen Sexualobjekt. Anleihen an die Filme Wenn der Postmann zweimal klingelt (Sexszene am Küchentisch) und Le Mépris / Die Verachtung sind unübersehbar. Auch hier drängt der Ehemann seine Frau dazu, sich des eigenen Vorteils wegen mit dem Nebenbuhler einzulassen, um in Folge mit der Eifersucht nicht fertig zu werden.

Flicker ist eine der sympathischsten und uneitelsten Positionen des heimischen Films. Er produziert ein geradliniges und solides Kino und vertraut dabei gänzlich auf die Kraft der Erzählung und der Schauspieler. Damit setzt er sich wohltuend ab von dem, was man ansonsten gemeinhin mit dem österreichischen Spielfilm verbindet (Ekelattacken, erzkonservativen Kulturpessimismus, kabarettistische Leerformeln).

Hans: "Ohne mich bist du nichts!" Jana: "Mit dir bin ich aber auch nicht viel." (Norbert Pfaffenbichler, Spezial, DER STANDARD,  3./4.11.2012)