Wien - Die 2009 eingeführte steuerliche Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten bringt den Betroffenen offenbar deutlich weniger als ursprünglich angenommen. Laut einer Anfragebeantwortung von Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) hat die Maßnahme im Jahr 2010 rund 36 Mio. Euro gekostet - erwartet wurden 165 Mio. Euro. Begründet wird das im Finanzministerium u.a. mit der "breiten Einführung von Gratiskindergärten". Auch der 2009 geschaffene Kinderfreibetrag kostet weniger als erwartet.

Steuerlich geltend gemacht werden können Betreuungskosten bis zu 2.300 Euro jährlich für unter zehnjährige Kinder. Die Betreuung muss durch "pädagogisch qualifizierte Personen" erfolgen, die eine mindestens achtstündige Ausbildung nachweisen können und - so es sich um Familienmitglieder handelt - auch nicht im selben Haushalt leben dürfen. Kosten sollte die Maßnahme damaligen Schätzungen zufolge 165 Mio. Euro.

Absetzbarkeit bringt weniger

Tatsächlich bringt die Absetzbarkeit der Betreuungskosten den Familien aber offenbar deutlich weniger. Für das Jahr 2010 wurden bisher rund 106 Mio. Euro an Betreuungskosten geltend gemacht. Daraus ergibt sich ein Steuerausfall von knapp über 36 Mio. Euro, wie aus der Anfragebeantwortung hervorgeht. Begründet wird die Diskrepanz u.a. mit der Einführung von Gratiskindergärten. So stellte die Gemeinde Wien die dortigen Kindergärten im Jahr 2009 beitragsfrei. Auffällig ist auch, dass nur für 135.000 von insgesamt 800.000 Kindern unter zehn Jahren Betreuungskosten geltend gemacht wurden. Das Finanzministerium weist allerdings darauf hin, dass das Jahr 2010 steuerlich noch nicht vollständig abgerechnet wurde.

Weniger als erwartet kostet auch der ebenfalls 2009 eingeführte Kinderfreibetrag von 220 Euro jährlich (bzw. jeweils 132 Euro, wenn ihn beide Elternteile geltend machen). Er steht allen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern zu, die Familienbeihilfe erhalten (also für Kinder bis 24). 2010 wurde der Freibetrag für 1,245 Mio. Kinder geltend gemacht und kostete rund 76,5 Mio. Euro. Erwartet wurden auch hier deutlich höhere Kosten von rund 175 Mio. Euro.

Vor allem die ÖVP hatte sich 2009 für die steuerliche Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten eingesetzt. In der aktuellen Steuerdebatte plädiert die Volkspartei für eine massive Ausweitung der Steuervorteile für Familien. Die Partei wirbt schon seit längerem für einen Steuerfreibetrag von 7.000 Euro pro Kind. Die SPÖ warnte vor dem Sommer allerdings vor Mehrkosten von bis zu 4,5 Mrd. Euro. 

Heinisch-Hosek sieht Kritik bestätigt

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) sieht sich durch die Anfragbeantwortung zur Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten in ihrer Kritik am bestehenden System bestätigt. Sowohl bei der Absetzbarkeit der Betreuungskosten als auch beim Kinderfreibetrag bleibe ein Großteil der Gelder liegen, monierte die Ministerin am Sonntag in einer Stellungnahme gegenüber der APA. Das sei nicht gerecht.

Heinisch-Hosek bewarb daher einmal mehr das SPÖ-Modell für eine neue Familienförderung. Es sieht eine Abschaffung der Frei- und Absetzbeträge vor, im Gegenzug soll die Familienbeihilfe auf monatlich 225 bzw. 240 Euro (für Kinder ab 15) erhöht werden. Zuschläge soll es für behinderte Kinder und Alleinerzieher geben. Laut Frauenministerium würden dadurch 150 Mio. für den Ausbau der Kinderbetreuung frei. Von diesem Modell "haben alle Familien etwas", meinte die Ressortchefin, es sei "gerecht und kostenneutral."

Das BZÖ sieht das derzeitige System der Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten und des Kinderfreibetrags als gescheitert an. SPÖ und ÖVP hätten das Modell offenbar derart verkompliziert, dass sich niemand mehr auskenne und die Betreuungskosten daher nicht geltend gemacht würden, so Familiensprecherin Ursula Haubner in einer Aussendung. Das BZÖ spreche sich daher für einen Kinderabsetzbetrag von 9.000 Euro pro Kind und Jahr aus. (APA, 4.11.2012)