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Ein in den ewigen Schlaf gesungenes Gansl muss es sein. Das noch dazu ein glücklichen Leben am Bauernhof hatte.

Foto: dpa/Waltraud Grubitz

Martiniganslzeit. Einmal im Jahr muss ja ein Gansl her. Ein selber zubereitetes. Und wenn man Ehrgeiz hat, kann das in zwei Richtungen gehen. Entweder es muss schmecken wie zum Beispiel genau das Gansl von der Omi selig. Oder es muss die fancy Neue-Küche-Gans sein, die man mit Niedertemperatur über mehrere Tage gart - mit Tricks und Kniffen von Köchen, die es wissen müssen. Die allerdings auch die Küchen und das Personal sowie die Geräte dafür haben. Da lässt es sich gut einschweißen, wieder aufmachen, garen, aufgießen, abgießen und ein Examen in Kräuterkunde bestehen. Weiß man alles nachher.

Zunächst beginnt man über die Art des Vogels zu diskutieren, den man zu kredenzen gedenkt. Wirklich eine Gans? Ja, wieso nicht? Oder lieber Rebhuhn? Da käme man über die burgenländischen Freunde mit Kontakten zu Jägern dran. Nein, die sind zu zäh, also die Rebhühner. Wachteln? Nein, da braucht man dann einen ganzen Clan - die geben nichts her. Und Trüffeln. Wachteln nur mit Trüffeln. Ah ja, na gut.

Sicher kein Truthahn

Man beginnt sich zu langweilen. Man sagt aber nicht: "Mir wurscht, ich fress alles." Man respektiert das Hobby des anderen und geht die gesamte gefiederte Fauna durch. Nein, Spatz ist verboten, Rotkehlchen auch. Nein, Truthahn ist zu trocken, das ist immer Fülle mit Fleischirgendwas. Nein, keinen Truthahn. Der andere fragt, wieso manche Pute sagen, manche Indian und manche Truthahn. Man dreht die Diskussion darüber sofort ab, weil es egal ist, weil kein Truthahn!

Nein, es muss ein in den ewigen Schlaf gesungenes Gansl sein, nach einem glücklichen Leben am Bauernhof. Wer da der Sänger ist, der zu so etwas imstande ist, nämlich jemanden mit dem Gesang zu töten, kann man nur vermuten - ich hätte da ein paar Vermutungen aus meinem näheren Umfeld.

Man erfährt, die neue Freundin vom Bruder ist Vegetarierin. Wieso kommt die dann zum Ganslessen? Na gut, die kriegt gebackene Champignons, ebenfalls eine Hommage an früher, wo fleischloses Essen in Gasthäusern immer und ausschließlich gebackener Emmentaler oder gebackene Champignons bedeutete.

Zwei Tage kochen

So, mit einer gut eingeschätzten Woche Vorlauf hat man sich auf alles geeinigt, auf den Vogel, die Zubereitungsart und -zeit, auf die Fülle, auf die Beilagen und ... will eigentlich nur mehr essen gehen irgendwo, schnell, Gansl her, mampf, tschüss.

Doch die Vögel sind gekauft, die Zutaten auch, seit zwei Tagen wird gekocht. Es ist so weit, die Familie trudelt ein. Das Rotkraut brennt an, die Gans wird und wird nicht durch. Man fragt möglichst höflich, also brüllend, die Küche, wann der depperte Flugsaurier endlich fertig ist. Man wachelt mit dem Handy herum und tut so, als suche man sich gerade einen Pizzalieferdienst heraus. Danach lädt man sich bei der neuen Schwägerin ein und alle naschen ihr die Champignons weg. Eigentlich ein super Essen.

Die gute alte Omi

Und dann, irgendwann, sitzen alle vor den Vögeln. Das Rotkraut schmeckt vorzüglich, ohne Gschistigschasti wie das, das verkokelt ist. So und genau so ist man es ja auch gewohnt, es ist das fertige aus dem Tiefkühler. Die Vögel sind zäh. Weil sie doch Truthähne sind, der Lieferant hat sich vertan. Okay. Dafür hätte es eine andere Fülle gebraucht, man spült mit viel Wein nach, damit es einem nicht aus den Ohren staubt.

Die Familie findet es trotzdem schmackhaft. "Na ja, schmeckt aber trotzdem nicht so wie bei der Omi", wirft man ein. "Das war auch immer eine Ente. Vom Hofer. Gansl war ihr zu fett." - "Ach so," sagt man. Und man vermisst die Omi. Die aus der Zeit, wo alles noch einfacher war.