Die Margiela-H&M-Kampagne stammt von Fotografin Sam Taylor Wood.

Foto: Hersteller

Gestylt wurde sie von der in New York lebenden Österreicherin Sabina Schreder, die auch das Styling unserer Modestrecke "Die nackten Beine der Kunst" verantwortete.

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Es gab eine Zeit, da war die Welt der Mode noch klar geordnet. Da gab es die Alltagsmode und die Flohmarktsmode, es gab die Designermode und die Sportmode. Und dann gab es auch noch die Konzeptmode. Wer in der einen Welt zu Hause war, der fühlte sich in einer anderen meistens ziemlich unwohl. Mode war wie eine Visitenkarte, die man am Leib trug.

Dann, irgendwann, gerieten die Kategorien durcheinander, und es wurde immer schwerer, Zuordnungen zu treffen - vor allem auf den ersten Blick: der Omaschal, der zum Designermantel getragen wurde, das Sportteil, das mit einem Stück Konzeptmode kombiniert wurde. Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch die Modehersteller darauf reagierten. Einer der Ersten war der Kleidermulti H&M, der mit seiner Kollektion mit Karl Lagerfeld die Tradition der Kapselkollektionen auf eine neue Stufe hievte. Massenkonsum und Designermode, das war ab diesem Zeitpunkt kein Widerspruch mehr. Alljährlich im Herbst folgt seitdem eine großangelegte Zusammenarbeit mit einem der führenden Modehäuser.

In diesem November ist nun Maison Martin Margiela dran, ein Haus, das kaum unterschiedlicher als H&M sein könnte. Sicher, die Schweden arbeiteten bereits mit Comme des Garçons zusammen und auch mit Viktor & Rolf. Auch diese Labels fallen unter das Dach der Konzeptmode, so umfassend wie Maison Martin Margiela legten sie den Konzeptbegriff aber nie aus. Wobei man in diesem Zusammenhang aber wohl weniger von Maison Martin Margiela als von Martin Margiela sprechen muss. 

Kompromisslose Kooperation

Der scheue Belgier, der sich zeit seines aktiven Designerdaseins weder fotografieren ließ noch Interviews gab, schied nämlich schon vor einigen Jahren aus seinem eigenen Unternehmen aus -nachdem Diesel-Chef Renzo Rosso in der Pariser Rue Saint-Maur das finanzielle Zepter übernommen hat. Seitdem bestimmt eine Designergruppe mehr oder weniger erfolgreich die gestalterischen Geschicke des Unternehmens. Vom Nischendasein einer sich allen herkömmlichen Regeln des Verkaufs und Marketings widersetzenden Marke ist seitdem nicht mehr viel übrig. Ansonsten wäre eine Zusammenarbeit mit einem Konzern wie H&M auch kaum denkbar.

Umso mehr verwundert es, wie kompromisslos die Kooperation mit den Schweden geworden ist. Ausgehend vom Gedanken der Re-Edition, dem man bei Margiela schon seit vielen Jahren nachhängt, hat man repräsentative Stücke aus der 23-jährigen Geschichte des Hauses wiederaufgelegt. Die Schnitte wurden zwar etwas angepasst, und auch bei den Materialien hat man einige Änderungen vorgenommen: Von den Asymmetrien über die Volumenspiele bis hin zu den nach außen gekehrten Innenstoffen und den dekonstruktiven Ansätzen ist alles da, was den Anhängern dieser Marke das Glitzern in die Augen zaubert.

Kleider, bei denen aus zweien eines wird, ein Rock aus Hosenteilen, Boots mit unsichtbaren Keilabsätzen, eine Männerjacke aus Gürteln, ein Daunendecken-Mantel, ein Body mit integriertem BH: Margiela hat den Gedanken des Upcyclings bereits zu einer Zeit betrieben, als es diesen Begriff noch gar nicht gab - damals allerdings zu Preisen, von denen jene bei H&M weit entfernt sind (das teuerste Stück kostet 299 Euro). Empfehlung! (Stephan Hilpold, Rondo, DER STANDARD, 9.11.2012)