Ein Toast für einen Film, den es nie geben wird: CIA-Agent Mendez (Ben Affleck, v. re.) und Hollywood-Profis Siegel (Alan Arkin) und Chambers (John Goodman) in "Argo".

Foto: Warner

Wien - Auf Geschichten, die zu gut sind, um wirklich wahr zu sein, hat sich zumindest das klassische Hollywood bestens verstanden. "Argo", die dritte Regiearbeit von Ben Affleck ("The Town"), erzählt auch von einem Husarenstück - mit dem feinen Unterschied, dass es sich erstaunlicherweise tatsächlich zugetragen hat. Es ist der seltene Fall, wo die Realität nach den Regeln des Kinos, oder besser: mit den Regeln des Kinos, spielt. Bei der Umsetzung eines gewagten Befreiungsplans war das imaginäre Vermögen der Traumfabrik von entscheidender Bedeutung.

Den historischen Hintergrund des Films liefert die Geiselaffäre in dem von Revolutionswirren gebeutelten Iran im Jahre 1979. Die US-Botschaft in Teheran wird von Aufständischen gestürmt, 52 Amerikaner sitzen am Ende fest, sechs Botschaftsangehörigen gelingt indes die Flucht zu den kanadischen Kollegen. Während die Augen der Weltöffentlichkeit auf das besetzte Gebäude gerichtet sind, sucht die CIA nach einer Möglichkeit, die Geflüchteten aus dem Land zu holen, vorbei an argwöhnischen Geheimdienstkontrollen - die Darstellung der Gegenseite, sei gleich gesagt, gehört nicht unbedingt zu den differenziertesten Aspekten des Films.

Chris Terrios Drehbuch basiert zu weiten Teilen auf einem "Wire"-Artikel des Journalisten Joshuah Bearman sowie dem Buch "The Master of Disguise" des mittlerweile pensionierten CIA-Agenten Antonio J. Mendez. Ben Affleck verkörpert Letzteren selbst, als nüchternen und etwas verhaltenen Mann mit 1970er-Vollbart, der seine Expertise mit Pragmatismus vermittelt. "Ausschleusungen", sagt er an einer Stelle in die Runde, "sind wie Abtreibungen. Man will sie vermeiden, aber wenn man eine braucht, sollte man sie nicht selbst durchführen."

Komische Schlagseite

Damit wäre man bei jenem Aspekt von "Argo", der den Film vom gängigen Politdrama so wohltuend unterscheidet: Mendez' Plan lautet nämlich, die Landsleute herauszuholen, indem er sie als Filmteam ausgibt, wofür es wiederum einen fingierten, trashigen Science-Fiction-Film namens "Argo" braucht. Die Combo von Geheimdienst und Hollywood-Cleverness, verleiht dem Film eine komische Schlagseite und größere Resonanz. John Goodman als Make-up-Experte John Chambers und Alan Arkin als Produzent Lester Siegel (eine Mischung aus Mel Brooks und Otto Preminger) strahlen die verwegene Präsenz von Filmfabrikveteranen aus (ihr Motto: "Ar-go fuck yourself"). Regisseur Affleck unterstreicht diese noch emphatisch, als gelte es eine Individualität zu zelebrieren, die man eben nur mit dem Hollywood einer vergangenen Ära verbindet. Die Filmwelt steht hier für das wahre Amerika ein - es spricht durch den völkerverbindenden Geist der Unterhaltungskunst.

Die Betonung des Handwerklichen findet man aber auch auf jener Ebene des Films, die stärker den Konventionen des Thrillers folgt. Affleck inszeniert die Befreiungsaktion mit dem Habitus eines professionellen Geschichtenerzählers, der seine Figuren durch ein engmaschiges Szenario der Angst und Maskeraden schickt. Seine Künstlichkeit verfehlt dieses Genrekino nicht: Wiederholt kommt es zu Situationen, in denen Suspensemomente fast ungehörig ausgedehnt werden, sei es durch Straßenblockaden, Telefone, die ewig läuten, oder übellaunige Iraner.

Die dramatische Zuspitzung lässt die Aktion "bigger than life" erscheinen. Das passt aber durchaus zu einem Unterfangen, bei dem es darum geht, eine Illusion zu erzeugen, eine Vorspiegelung falscher Tatsachen. Dass die Kunst der Nachahmung wiederum eine ist, die die Macher von Argo selbst sehr genau genommen haben, kann man dann im Abspann des Films sehen. Da werden die Realpersonen von 1979 ihren filmischen Entsprechungen gegenübergestellt, und man kann überprüfen, dass man nicht nur in Hinsicht von Schnurrbärten und Hornbrillen ganze Arbeit geleistet hat.  (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 9.11.2012)