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Die Einsamkeit des "Geschmacksdiktators" auf der Kino-Bühne: Hans Hurch bei der Abschlussgala, bei der Michael Haneke mit dem "Wiener Filmpreis" geehrt wurde - in Abwesenheit des Regisseurs.

Foto: apa

Aus einem Viennale-Resümee des Berliner Filmwissenschafters Nikolaus Perneczky im Feuilleton des Online-Portals "Perlentaucher":

Es liegt viel Unmut in der Wiener Luft, über die andauernde "Geschmacksdiktatur" (Wolfgang Ainberger) des langjährigen Viennale-Direktors Hans Hurch. Am Ende der kürzlich bis 2016 verlängerten Vertragslaufzeit wird Hurch dem Festival fast zwanzig Jahre vorgestanden haben. Der Geschmack des absoluten Herrschers ist zu gleichen Teilen informiert wie borniert, weltoffen wie eigenbrötlerisch, in einer dialektal gefärbten Dialektik, wie man sie nur hier in Wien Jahr für Jahr hinbekommt oder, will man den sich mehrenden kritischen Stimmen Glauben schenken, hinbekommen hat.

Ausgerechnet heuer, zum 50. Jubiläum der Viennale, soll das Hurch'sche Erfolgsprinzip sich nämlich selbst verraten haben, im undialektischen Festhalten am amerikanischen Independent-Kino lange über dessen Haltbarkeit hinaus etwa, oder in der allzu kanonischen Viennale-Retro im Österreichischen Filmmuseum, die in diesem Jahr dem Werk des gebürtigen Wieners Fritz Lang gewidmet ist.

Dass die Viennale - so wie Wien als Ganzes - immer auch ein wenig um die eigenen Begehrlichkeiten kreist, ist die Kehrseite von Hurchs selbstherrlicher Arbeitsweise. Aber hat sich die einst bewegliche Geschmacksdiktatur inzwischen wirklich so tief in den eigenen Routinen verschliffen, dass nun alles zur Selbstperpetuierung drängt? Oder leidet, wer sich über eine große Fritz-Lang-Retro beschwert, nicht doch eher an Luxusproblemen?

Ganz unberechtigt sind die Vorwürfe sicher nicht. Dass sie sich gerade jetzt entladen, hat aber mindestens so viel mit Hurchs nicht enden wollender Amtszeit zu tun wie mit der vermeintlichen Selbstbezüglichkeit des Viennale-Kosmos: Was zu lange währt, wird endlich schal. Dass viele Wiener sich jetzt schon dem Jahre null einer neuen Zeitrechnung - "n. H. H."- entgegensehnen, liegt auch an dem eklatanten Mangel öffentlich vorgetragener Kritik an diesen sehr österreichischen Zuständen.

Medienpartnerschaften, in die fast der gesamte österreichische Qualitätsjournalismus eingelassen ist, und die relative Überschaubarkeit der einheimischen Filmszene, in der jeder mit jedem verschwistert oder doch zumindest bekannt ist, verleiten zu allseitiger Vorsicht. Notwendige Kritik kehrt in der Schwundform eines überall vernehmlichen Gemauschels wieder.

Und wenn sich dann doch einmal jemand zu Wort meldet, wie es der ehemalige Viennale-Kodirektor Ainberger letzte Woche im STANDARD getan hat, fallen zwar viele polemische Stichworte ab, aber kaum ein stichhaltiges Argument gegen Hurchs Programmarbeit.   (Nikolaus Perneczky, DER STANDARD, 10./11.11.2012)