Jakob Lena Knebl rutschte in die Performance-Ecke: "Ich fand Performer immer wahnsinnig lästig und narzisstisch. Für mich persönlich hat die Performance auch ein Ablaufdatum."

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Wien - "Rosa Arbeit auf goldener Straße": Angelehnt an den Titel eines Films von Rosa von Praunheim beschäftigen sich an der Akademie der bildenden Künste eine Ausstellung (bis 3.2.2013) und die Konferenz "Dildo Anus Macht" (22. bis 24.11.) mit dem Begriff der Queerness. Dass queer mehr heißt als schwul, schräg und wunderlich und jenseits der Klischees von Paradiesvögeln und Glitter angesiedelt ist, dafür tritt die Ausstellung unter anderen mit abstrakten Arbeiten von Ulrike Müller und Katrina Daschner an. Letztere ist in Wien ebenso wie Jakob Lena Knebl einer der ersten Namen, die in Zusammenhang mit queerer Performance fallen. Darauf festgenagelt zu sein schmeckt Knebl nicht. Sie würde um Begriffe wie Transformationen und Freiheiten erweitern.

STANDARD: Ich weiß von Ihnen, dass Sie ein Faible für 50er-Jahre-Interieur haben, das Sie im Internet jagen.

Knebl: Was ich an mir schätze, ist, dass ich mich für Dinge begeistern kann. Aber manchmal wird aus der Begeisterung auch so was wie Distanzlosigkeit.

STANDARD: Sie nutzen das Mobiliar - seiner Funktion beraubt - aber auch für Ihre Installationen, wie etwa jetzt im Kunstraum vesch. Welche Motive verbinden Sie damit?

Knebl: Es geht eigentlich immer um Reglementierung von Körpern und Identitäten. Spannend finde ich auch die Frage, was eine Sache zu einem Gestaltungsgegenstand, was zu einem Kunstobjekt macht. Es wird an der Funktion festgemacht. Aber haben nicht auch künstlerische Arbeiten eine Funktion? Mich reizen diese Begriffe, die unsere Identitäten füttern. Was ist Gestaltung? Was sind Moden - auch jenseits von Kleidung?

STANDARD: In den Installationen finden sich Fotos von Ihnen, wo Sie sich stilistisch Kunst oder Interieur anzunähern scheinen.

Knebl: Das ist für mich die Einverleibung. Ich bin nicht subtil und zeige daher sehr plakativ, wie wir zu etwas werden. Was passiert, wenn wir von den Dingen mitgerissen werden?

STANDARD: Sind Sie ganz bewusst plakativ?

Knebl: Mich interessiert eine gewisse Breitenwirkung. Wenn mir Ideen wichtig sind, will ich, dass sie nicht nur im elitären Kreis Verbreitung finden.

STANDARD: Wie und aus welcher inneren Notwendigkeit wurde aus Martina Egger Jakob Lena Knebl?

Knebl: In einer Gender-Studies-Vorlesung erinnerte ich mich an die ganz bewusst konstruierten Identitäten der 1980er-Jahre. Deren Möglichkeiten haben mich interessiert. Für mich ist es eine spannende Utopie, zu wählen, welches Geschlecht ich performe. Einen Tag eine Frau, ein Mann oder ein Kind zu sein. Da in den uns gegebenen Vornamen Normierung lesbar wird, entschied ich, mir beide Vornamen und den Nachnamen meiner Großeltern zu geben. Identitäten interessieren mich in Zusammenhang mit Freiheit.

STANDARD: Die Jakob Lena, der Jakob Lena: Trifft sich diese Nivellierung der Geschlechter in Ihrem Namen mit feministischen Zielen von Emanzipation, Chancengleichheit und Ebenbürtigkeit?

Knebl: Es gibt queer-feministische Strömungen, die sagen, Ja. Andere gehen davon aus, eine Differenz der Geschlechter zu leben. Ich möchte mich aber nicht entscheiden, sondern alles haben. Leslie Feinberg, eine Transgender-Persönlichkeit und Autorin, sagt, es gibt so viele Geschlechter, wie es Menschen gibt. Ich finde es spannend, nur Subjekte zu sehen und keine Gruppen.

STANDARD: Sehen Sie sich in permanenter Tranformation?

Knebl: Ja. Mich Dingen anzunähern, für die ich große Distanz empfunden habe, ist für mich spannend. Haltungen zu ändern. In der Psychologie gibt es den Ausdruck der Resilienz, wenn man Erfahrungen aus dem Erleben schwieriger Situationen nutzt, um daran zu wachsen.

Jetzt nähere ich mich gerade einer Figur mit Namen Moonshine Amber Jackson an, einer Keramikkünstlerin voller Freude und mit Hang zur Esoterik. Es ist ein Prozess, wieder feminin bewertete Kleidung und eine rote Perücke zu tragen. Das ging sieben Jahre nicht. In dieser Zeit hatte ich mich von einer Phase extremer Künstlichkeit distanzieren müssen. Ich habe ja auch Modedesign studiert, aber irgendwann ist mir der Kragen geplatzt. Das Modesystem ist ja wahnsinnig normiert.

STANDARD: Einer inneren Haltung Ausdruck zu verleihen hat viel mit Mode zu tun. Sie lieben das Extreme. Hatte die Wandlung von künstlich zu männlich konnotiert mit Verweigerung zu tun?

Knebl: Nein, ich musste das machen. Ich konnte mich nicht im Spiegel ungeschminkt anschauen. Ich trug zentimeterdick Make-up. Ohne Schminke hatte ich kein Gesicht. Das war eine extreme Beschränkung meiner Person, und so habe ich den Wandel als Befreiung erlebt. Und jetzt kann ich zum ersten Mal die Werkzeugkiste voll ausschöpfen.

STANDARD: Was kann Kunst leisten, das queere Theorie alleine nicht leisten kann?

Knebl: Normen brechen, andere Körper und anderes Begehren zeigen. Was mir momentan wichtig ist und in der queeren Theorie noch zu wenig berücksichtigt wird, ist, was sie für Menschen bringt, die sich hetero definieren.

STANDARD: Zum Beispiel?

Knebl: Ich kenne Väter, denen es schwer fällt, in die Kindergruppe zu gehen. Sie fühlen sich in ihrer Rolle beobachteter und kontollierter als Frauen. Ihnen fehlt Selbstsicherheit im Vatersein. Oder Männer, die eine Frau kennenlernen wollen, aber darunter leiden, nicht den typisch maskulinen Aufreißer geben zu können. Es könnte also schon noch etwas bringen, diese Rollen zu hinterfragen. Ein Freund von mir trug bei einer meiner Aktionen ein wunderschönes Kleid und war umringt von Frauen. An diesem Abend fuhr er mit fünf Telefonnummern nach Hause.

STANDARD: Die Konferenz im Rahmen der Ausstellung an der Akademie heißt "Dildo Anus Macht". Das waren auch die Ingredienzen einer Ihrer Performances, penetriert wurde dabei ein Mann. Es ging darin um Rollenumkehrung.

Knebl: Ja. Und um die Fragen, wie und für welches Begehren Körper heute noch immer benutzt werden. Damit es nicht so beschämend pornografisch erscheint, setzte ich Humor ein. Durch den Dialog zwischen den Performern sollte eine dubiose Sachlichkeit entstehen, die den Zusehern Distanz erlaubt. Mir ist es auch wichtig, dass queere Kunst sich nicht gegenüber anderen Geschlechtern abtrennt. Ich wollte also eine Performance mit einem biologischen Mann machen. Im Burlesque tanzen keine Männer; ich fände das aber spannend. Solche Dinge möchte ich aufbrechen.

STANDARD: Dass Sie sich in Ihren Performances nackt zeigen, war für Sie eine große Überwindung. Wie kam es trotzdem dazu?

Knebl: Ich hatte mal ein tolles Jobangebot vom Radio; hätte darin viel mehr verdient als in der Altenbetreuung. Ich schlug jedoch aus, weil ich erst professionell sprechen lernen wollte. Später beschloss ich, nie wieder Nein, sondern Ja zu sagen. Als Heimo Zobernig dann fragte, ob ich die Performance machen würde, sagte ich also zu. Aber es war ein Horror. Ich bin in die Performance eher hineingeschlittert. Ich fand Performer immer wahnsinnig lästig und narzisstisch. Und für mich persönlich hat sie auch ein Ablaufdatum.

STANDARD: Sie haben also immer Dinge gemacht, die Sie sich vorher nicht vorstellen konnten.

Knebl: Jetzt, wo Sie es sagen: Ja, stimmt. (lacht) Jetzt muss ich überlegen, was das für mein Leben heißt. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, Langfassung, 12.11.2012)