Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: Waltraud Grubitzsch dpa/lsn

Wien - Der Ministerrat hat am Dienstag das Familienrechtspaket durchgewunken. Enthalten sind darin unter anderem eine Neuregelung der gemeinsamen Obsorge nach Scheidungen, ein Antragsrecht für ledige Väter auf Obsorge sowie Neuerungen bei Besuchsrecht und Namensrecht. Laut einem Sprecher von Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) hat es nach dem Begutachtungsverfahren lediglich kleinere technische Anpassungen gegeben.

Kritik im Begutachtungsverfahren

Die Kernpunkte blieben demnach unverändert. Im Begutachtungsverfahren hatte es aus verschiedenen Richtungen Kritik gegeben. So waren nicht alle begeistert vom Plan, dass das Gericht künftig die Möglichkeit hat, auch bei strittigen Scheidungen eine gemeinsame Obsorge zu verfügen. Für Unmut sorgte beispielsweise auch, dass unverheiratete Eltern das gemeinsame Sorgerecht am Standesamt (und nicht mehr bei Gericht) vereinbaren können - dagegen sprachen sich auch die Standesbeamten selbst aus.

Die Ministerin zeigte sich jedenfalls über den Beschluss im Ministerrat naturgemäß erfreut. Am 20. November wird das Paket im Justizausschuss behandelt, Anfang Dezember ist das Plenum dran. Großteils treten die neuen Regelungen mit 1. Februar in Kraft.

Die geplanten Änderungen im Überblick

Das Kindeswohl wird gesetzlich verankert und definiert. Es soll Vorrang haben vor allen anderen Erwägungen. Zu den Kriterien zählen etwa eine "angemessene Versorgung", "Fürsorge, Geborgenheit und der Schutz der körperlichen und seelischen Integrität des Kindes" und "verlässliche Kontakte des Kindes zu beiden Elternteilen".

Die Obsorge bei unehelichen Kindern steht derzeit zunächst der Mutter alleine zu. Eine gemeinsame Obsorge muss extra beantragt werden, auch wenn die Eltern zusammen leben. Künftig kann das gemeinsame Sorgerecht am Standesamt vereinbart werden, der Weg zu Gericht ist nicht mehr notwendig (aber theoretisch weiterhin möglich). Beide müssen persönlich erscheinen, eine Vollmacht reicht nicht. Außerdem gibt es eine Einspruchsfrist von acht Wochen. Ledige Väter sollen außerdem die gemeinsame oder die alleinige Obsorge (auch gegen den Willen der Mutter) beantragen können, die Entscheidung liegt beim Richter.

Familiengerichtshilfe und "Besuchsmittler" begleiten in familienrechtlichen Verfahren und sollen einvernehmliche Lösungen fördern. Die Familiengerichtshilfe läuft derzeit an vier Bezirksgerichten als Pilotprojekt und soll nun österreichweit kommen. Sozialpädagogen und Psychologen unterstützen die Familie während Gerichtsverfahren. Besuchsmittler sollen Pädagogen und Sozialarbeiter sein, die die Einhaltung der Kontakte zum Kind prüfen.

Bei Obsorge-Streitfällen soll künftig - egal ob es um eheliche oder uneheliche Kinder geht - eine "Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung" verhängt werden: Das Gericht entscheidet für sechs Monate (im Bedarfsfall auch länger) über eine vorläufige Lösung. Beide Elternteile haben in dieser Zeit Kontakt zum Kind, wobei einer die hauptsächliche Betreuung übernimmt. Die bisherige Obsorgeregelung (bei ehelichen Kindern also die gemeinsame) bleibt vorerst aufrecht. Nach dieser Zeit hat das Gericht auch aufgrund der Erfahrungen in dieser Testphase über die endgültige Sorgerechtsregelung zu entscheiden. Würde die Testphase dem Kindeswohl widersprechen, findet sie nicht statt.

Schon jetzt ist es so, dass die gemeinsame Obsorge bei ehelichen Kindern grundsätzlich auch nach der Trennung aufrecht bleibt. Beantragt ein Elternteil die alleinige Obsorge, kann das Gericht auch nur einem die alleinige Obsorge zusprechen. Künftig hat das Gericht eine dritte Option: Es kann auch bei strittigen Trennungen (und gegen den Willen der Eltern) eine gemeinsame Obsorge verfügen, wenn es dem Kindeswohl entspricht.

Das Besuchsrecht wird zum "Kontaktrecht". Eltern haben rechtlichen Anspruch auf Kontakt zu ihrem Kind. Damit das Besuchsrecht künftig besser eingehalten wird, gibt es einen Maßnahmenkatalog: So kann der Richter beispielsweise den Besuch einer Familienberatung anordnen. Die Eltern müssen bei einvernehmlichen Trennungen schon zum Zeitpunkt der Scheidung eine Regelung über die Ausübung des Kontaktrechts treffen. Das Gericht muss nötigenfalls, insbesondere bei Gewalt, die persönlichen Kontakte einschränken oder untersagen.

Das neue Namensrecht soll Doppelnamen für Kinder und ganze Familien ermöglichen - bisher konnte nur ein Elternteil einen solchen führen. Die Länge des Namens ist auf zwei Elemente beschränkt. Eine weitere Neuerung: Einigt man sich nicht auf einen Nachnamen, bekommt das Kind künftig den Namen der Mutter.

Neuerungen soll es auch für Patchworkfamilien geben: Personen, die im gleichen Haushalt leben und "in einem familiären Verhältnis" zum Elternteil stehen (etwa Großmutter oder Lebensgefährte), müssen den Elternteil in Notfällen in "Obsorgeangelegenheiten des täglichen Lebens" vertreten. Das gilt auch für Regenbogenfamilien. (APA, 13.11.2012)