Wien - Nach langen Verhandlungen und anhaltender Kritik der Ärztekammer hat der Nationalrat am Dienstag die Einführung der Elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) beschlossen. Im Wesentlichen stimmten SPÖ und ÖVP dafür, zwei Abweichler waren wie schon im Ausschuss anderer Meinung als ihre Parteikollegen: Die ÖVP-Abgeordnete Karin Hakl stimmte dagegen, der grüne Gesundheitssprecher Kurt Grünewald dafür. Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) pries ELGA als großen Meilenstein. Die ÖVP sieht Chancen und Risken, die Oppositionsparteien insgesamt mehr Gefahren.

Stöger zweifelt nicht an dem von ihm ausverhandelten System. Es bringe einen gewaltigen Schritt im Datenschutz, denn "nur der Arzt, dem Sie vertrauen, kann auf Ihre Gesundheitsdaten zugreifen", sagte Stöger. Das Gesundheitswesens bekomme mehr Qualität, die Versorgung werde besser. Auf die massive Ärztekritik reagierte Stöger indirekt - indem er sich bei jenen Ärzten bedankte, die ihm in den vergangenen Tagen dazu gratuliert hätten.

Rasinger: ELGA ist Chance und Risiko

ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger, ursprünglich ein ELGA-Gegner, pries ELGA nun nach 18 Monaten Verhandlungen als international herzeigbares Projekt. ELGA sei jedoch immer noch eine Chance, aber auch ein Risiko. Sie biete eine Möglichkeit, die Behandlung zu verbessern, eine Gefahr bestehe aber beim Datenschutz. Hier seien aber viele Bremsen eingezogen worden, und Patienten und Ärzte hätten die Möglichkeit herauszuoptieren. Als nicht ausreichend erachtet seine Fraktionskollegin Hakl die "Bremsen". Sie stimmte dagegen, weil die Daten bei ELGA nicht verschlüsselt werden.

Scharf kritisierte FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch-Jenewein ELGA. Der Ausstieg sei zu schwierig und eine "reine Augenauswischerei". Außerdem befürchtet sie, dass mit der geplanten EU-Datenschutzverordnung die Gesundheitsdaten der Österreicher "in ganz Europa einsehbar" werden: Die Österreicher würden "zum gläsernen Patienten in ganz Europa".

Die EU-Verordnung werde nicht dazu führen, dass Daten in Echtzeit abgerufen werden können, entgegnete der SPÖ-Abgeordnete Johann Maier. Sie ermögliche nur, dass sie für Gesundheitszwecke verarbeitet werden. Die SPÖ-Abgeordnete Sabine Oberhauser wandte sich gegen Panikmache der FPÖ und versuchte, die Ärzte zu beruhigen: Jetzt werde nur das Rahmengesetz beschlossen, bis 2016 sei jetzt Zeit, gemeinsam ein benutzerfreundliches System zu entwickeln.

Grünewald hofft auf Verbesserungen

Für die Grünen ist ELGA eine "schwierige Sache", sagte Karl Öllinger. Gesundheitssprecher Kurt Grünewald stimmte zu, weil er hofft, dass ELGA bis 2016 ausreichend verbessert wird. Die übrigen Grünen-Abgeordneten lehnten ELGA ab. Nicht der Nutzen für den Patienten, sondern ein undefiniertes Interesse einer Gesundheitsverwaltung stehe im Mittelpunkt, sagte Öllinger. Positiv sei aber, dass gleichzeitig Gesundheitsdaten besser geschützt werden.

ELGA berge mehr Risiken als Chancen, sagte die BZÖ-Abgeordnete Ursula Haubner. Sie verwies auf den Datenschutz, die Opt-out-Regelung und nicht abschätzbare Kosten. Gesundheitsminister Stöger warf sie vor, trotz aller Kritik ein teures Prestigeprojekt umzusetzen.

Das Team Stronach sieht ELGA prinzipiell als "positive Sache", stimmte aber dennoch nicht zu. Man dürfe eine solche Regelung nicht einfach "drüberziehen", ohne zu wissen, wie sie sich umsetzen lasse, sagte der Stronach-Abgeordnete Robert Lugar. Er verlangte, die Bedenken der Ärzte ernst zu nehmen.

Abgestimmt wurde namentlich. 171 Stimmen wurden abgegeben, 102 waren für, 69 gegen ELGA. (APA, 13.11.2012)