Erkenntnisse über Erkenntnisse in diesen Tagen: Da kommt Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (VP) zum Schluss, es sei "nicht alle sauber gelaufen" beim Eurofighter-Deal. Und: "Eine Serie derartiger Merkwürdigkeiten bei einem so großen Geschäft ist mir noch nie aufgefallen." Dass Mitterlehner in diesem Zusammenhang in diesen Tagen häufig das Wort "erstaunlich" in den Mund nimmt, überrascht. Denn wie der Sicherheitsexperte der deutschen Bundeswehr, Carlo Masala, in einem Standard-Interview ausführt, ist das üblich: "Bei großen Rüstungsdeals ist die Korruption weltweit Teil des Systems. Es gilt also als wenig überraschend, wenn bei milliardenschweren Aufträgen das eine oder andere Nebengeschäft gemacht wird."

Im österreichischen Fall läppert sich die Summe der Ungereimtheiten rund um die von Schwarz-Blau eingefädelten Eurofighter-Geschäfte auf bis zu 180 Millionen Euro. Dass mit Mitterlehner der erste hochrangige ÖVP-Politiker in die Offensive geht, ist wohl weniger eigenen Einsichten geschuldet, sondern Ermittlungen der Staatsanwaltschaften in Wien und München sowie von Steuerfahndern, die auch die Zentrale des EADS-Konzerns un ter die Lupe nehmen. Ein Übriges trägt die Berichterstattung in deutschen Medien bei. Wenn es im Spiegel steht, kann man es auch in Österreich nicht mehr ignorieren - zumal der Fall auch nach Deutschland übergeschwappt ist.

Noch ist nicht klar, wer in welchem Ausmaß von Zahlungen, echten oder fingierten Gegengeschäften profitiert haben könnte: österreichische Politiker, die vor der Typenentscheidung öffentlich eine ganz andere Meinung vertreten haben als danach; die dahinterstehenden Parteien, also ÖVP und FPÖ; Einzelpersonen, die der Politik nahestehen wie die Gattin eines FPÖ-Politikers; Involvierte Beamte; Unternehmen wie der Ma gna-Konzern des Neoparteigründers Frank Stronach; EADS-Manager.

Gerüchte und Mutmaßungen gibt es seit Jahren. Aber auch der Eurofighter-Untersuchungsausschuss 2007 lieferte keine handfesten Beweise. Anzeigen des Grün-Abgeordneten Peter Pilz im Vorjahr brachten die Ermittlungen in Österreich wieder in Gang. Dazu kamen Erkenntnisse italienischer Ermittler, die an Wien weitergegeben wurden. Dass nun Behörden im Ausland involviert sind, erschwert es, eine typisch österreichische Lösung zu finden: Ermittlungen nach Jahren einzustellen - aus Mangel an Beweisen.

Dass in politisch heiklen Fällen nicht mehr so vorsichtig agiert wird, zeigt auch das Vorgehen gegen den (Waffen-)Lobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly: Die Staatsanwaltschaft Wien will für den Fall einer Verurteilung im Prozess, der im Dezember beginnt, den Zugriff auf dessen Schloss.

Im Eurofighter-Deal wird dies- und jenseits der Grenzen wegen des Verdachts der Bestechung und Untreue untersucht, in Deutschland gab es auch zahlreiche Hausdurchsuchungen. Das zwingt auch zur Zusammenarbeit über Grenzen hinweg.

Geklärt werden muss in Österreich auch, warum die SPÖ 2007 trotz des im Wahlkampf versprochenen Ausstiegs dann einer Reduktion der Eurofighter auf 15 Stück zustimmte - obwohl damals schon der Korruptionsverdacht und damit eine Möglichkeit zur Rückabwicklung des Deals im Raum stand. Selbst jetzt agiert Verteidigungsminister Norbert Darabos sehr zögerlich. Dabei ist seit Jahren klar: Dieser Deal stinkt zum Himmel. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, 17./18.11.2012)