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"Wir streiken" steht am 4. Oktober 2003 auf diesem Arbeitsplatz im Verschubbahnhof Kledering, denn man streikt gemeinsam...

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... und auch der Kollektivvertrag gehört allen. Individuelle Arbeitsbedinungen dagegen handeln sich alle getrennt aus.

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"Wenn das so weitergeht, dann streike ich morgen" - wer das sagt, denkt meist nicht wirklich an Arbeitskampf, sondern ist eher müde oder frustriert. Und die Wirkung einer solchen Aktion? Im besten Fall gar keine. Im schlechtesten die fristlose Kündigung.

Heißt es aber "Hier wird gestreikt" oder "Wir streiken", sieht es schon ganz anders aus – vorausgesetzt der Streik wurde ausgerufen, und es machen viele mit. Zum einen wirkt ein Streik nämlich nur in der Gruppe, zum anderen ist er ein Recht der Mitglieder einer bestimmten Gruppe.

Österreich hat höchste Tarifvertragsdichte

Beratungen zwischen den beiden Gruppen Arbeitnehmer und Arbeitgeber haben die Staaten sogar zu fördern, steht in der Europäischen Sozialcharta. Ziel dieser Verhandlungen: Die Beschäftigungsbedingungen sollen durch Gesamtarbeitsverträge einheitlich geregelt werden. Ein Chef führt also nicht mit allen seinen Angestellten ein Einzelgespräch, sondern ein Arbeitgeberverband sitzt mit der Vertretung der Arbeitnehmer am Verhandlungstisch. Gültig sind die Ergebnisse nicht für einen Einzelnen, sondern für alle, für das Kollektiv eben.

In Österreich werden jedes Jahr über 450 Kollektivverträge abgeschlossen, sie gelten für rund 98 Prozent der Arbeitnehmer. Damit ist Österreich gemeinsam mit Frankreich in Europa führend. Der EU-Durchschnitt liegt laut einer Erhebung zur Arbeitnehmerbeteiligung in Europa bei zwei Dritteln, Schlusslicht ist Litauen mit 15 Prozent.

Nur Verbesserung individuell möglich

An den Arbeitnehmern liegt es aber nicht, dass hierzulande fast alle Arbeitsverhältnisse unter einen Kollektivvertrag fallen. Laut Statistik Austria gab es in Österreich 2011 etwas mehr als 3,5 Millionen unselbständig Erwerbstätige. Der ÖGB hat rund 1,2 Millionen Mitglieder. Davon, dass 98 Prozent der Arbeitnehmer gewerkschaftlich organisiert sind, ist man also weit entfernt. Auf Arbeitgeberseite aber sitzen die Industrie- und Handelskammern am Verhandlungstisch. So sieht es das Gesetz vor - und im Gegensatz zu den Arbeitnehmern müssen die Arbeitgeber diesen Interessenvertretungen angehören. Auch an die Verhandlungsergebnisse sind sie daher alle gebunden.

Der Kollege vom Tisch gegenüber kann trotzdem mehr Geld oder mehr Urlaub für sich ausverhandeln, weniger aber geht nicht. Sondervereinbarungen gelten nur, wenn sie Angelegenheiten betreffen, die der Kollektivvertrag nicht regelt, oder wenn sie für den Arbeitnehmer von Vorteil sind. Der Einzelne hat also gewissermaßen nur Spielraum nach oben. Aufheben oder beschränken dürfen Arbeitsverträge und Betriebsvereinbarungen die gemeinsamen Abmachungen nicht.

Tarifverträge unter Mindestlohn

Ein Blick nach Frankreich zeigt aber, dass ein Tarifvertrag für die Arbeitnehmer nicht unbedingt ein Vorteil sein muss. Seit 1. Juli gilt dort ein Mindestlohn von 9,40 Euro pro Stunde, die Lohnsätze einiger Tarifverträge liegen aber darunter, kritisiert die Studie. Lissabon wiederum plant Veränderungen, die den Anteil der von einem Tarifvertrag umfassten Arbeitnehmer verringern werden, fürchtet die Gewerkschaft. In der Vergangenheit machte die portugiesische Regierung viele Tarifverträge auch für Arbeitgeber verbindlich, die sie selbst nicht unterzeichnet hatten. Diese Politik wurde nun ausgesetzt. Die Finanzkrise macht sich bemerkbar.

In Griechenland und in Spanien hat die angespannte wirtschaftliche Lage zu neuen Gesetzen geführt. Für die Arbeitgeber ist es jetzt möglich, in ihrem eigenen Betrieb Bedingungen anzuwenden, die unter den gemeinsamen liegen - und zu denen sie sich eigentlich verpflichtet haben. Früher war das nicht möglich. Hier entsteht ein Spielraum nach unten. (Elisabeth Parteli, derStandard.at, 28.11.2012)