Wien - Im Wiener Landesgericht ist am Mittwoch eine psychisch kranke Frau in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen worden. Sie war am 7. März 2012 in ihrer Wohnung mit zwei Messern auf Polizisten losgegangen und von einem Beamten mit neun Schüssen niedergestreckt worden. Das Gericht sah die angeordnete Unterbringung allerdings unter Setzung einer fünfjährigen Probezeit bedingt nach.

Für den Schöffensenat waren die formalen Kriterien für eine Unterbringung im Sinne des § 21 Absatz 1 Strafgesetzbuch (StGB) gegeben. Infolge ihrer paranoiden Schizophrenie habe die 37-Jährige ein Verhalten gesetzt, das - hätte sie sich nicht in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand befunden - ihr als schwere Körperverletzung und Widerstand gegen die Staatsgewalt angelastet worden wäre.

"Subjektive Angstsituation"

Anders als von der Staatsanwaltschaft angenommen, ging das Gericht dabei aber nicht davon aus, dass die Frau die Polizisten absichtlich schwer verletzen habe wollen. "Sie haben zwar mit zumindest einem Messer Stichbewegungen von oben nach unten durchgeführt. Damit ist üblicherweise Lebensgefahr verbunden. Aber sie waren in einer subjektiven Angstsituation", betonte der Vorsitzende Thomas Kreuter.

Das Gericht glaubte der 37-Jährigen, dass sie infolge ihrer Erkrankung die Beamten nicht als solche erkannte: "Es ist Ihnen darum gegangen, dass sie weggehen und die Angriffe gegen Sie, die sie vermutet haben, aufhören."

Trotz eines "schwer ausgeprägten Krankheitsbildes" leistete der Senat einem entsprechenden Ersuchen des Verteidigers Folge und sah die Unterbringung bedingt nach. Die 37-Jährige kommt damit vorerst nicht zeitlich unbefristet in eine geschlossene Anstalt, sofern sie sich an die ihr gerichtlich erteilten Weisungen hält: Sie muss in eine psychiatrisch betreute Wohngemeinschaft ziehen, ihre therapeutische und medikamentöse Behandlung fortsetzen und sich ambulant und engmaschig überwachen lassen.

Vertrauen in Mitarbeit

Diese Maßnahmen erachtete das Gericht deshalb als ausreichend, weil des Krankheitsbild der Frau sich in den vergangenen sechs Monaten dank der ihr zuteilgewordenen Behandlung verbessert habe und sie "krankheitseinsichtig" sei:" Man kann Ihnen vertrauen, dass Sie weiter daran mitarbeiten, dass Sie ein weitgehend selbstbestimmtes Leben haben."

Die 37-Jährige war mit dem Urteil einverstanden. In ihrem Schlusswort hatte sie erklärt, ihr tue leid, was passiert sei, "aber im Prinzip bin ich selbst die Gestrafte mit all den Schüssen, die ich abbekommen habe". Sie habe niemanden verletzen, sondern nur die Polizisten, die sie nicht als solche erkannt hätte, aus ihrer Wohnung bekommen wollen. Da die Staatsanwältin vorerst keine Erklärung abgab, ist das Urteil nicht rechtskräftig.

Erneuter Angriff nach sieben Treffern

Insgesamt fünf Polizisten waren am 7. März in die Wohnung in der Goldschlagstraße eingedrungen, nachdem die panisch klingende Frau der Feuerwehr telefonisch einen Brand gemeldet hatte. Die Feuerwehrleute nahmen am Einsatzort weder Flammen noch Brandgeruch wahr, hörten jedoch weibliche Schreie aus dem Wohnungsinneren. Sie verständigten die Exekutive.

Die Frau, die sich in der Duschkabine versteckt hatte, ging dann mit zwei Messern auf die Beamten los, die sich ihr annäherten. Dem ballistischen Gutachten zufolge wurde sie von sieben Schüssen getroffen, ehe sie taumelte und zu Boden ging. Danach soll sie sich wieder aufgerichtet und den Angriff fortgesetzt haben, worauf zwei weitere Schüsse abgegeben wurden. Seither sitzt die 37-Jährige im Rollstuhl.

Ob der Polizist, der auf die Frau zahlreiche Schüsse abgefeuert hatte, vor Gericht gestellt wird, ist noch offen. Die Staatsanwaltschaft hatte gegen den Polizisten ermittelt, ihr Vorhabensbericht ist aber noch nicht genehmigt worden. (APA, 21.11.2012)