Über Zeitkapseln für Zukunftswesen sinniert Christian Mayer in seiner Ausstellung "prezjnt" in der Galerie Mezzanin.

Foto: Georg Petermichl / Mezzanin

Wien - So schnell wollte man 1937 das Weltenende gar nicht herbeireden: Erst in 5000 Jahren sollte die anlässlich der New Yorker Weltausstellung vergrabene Zeitkapsel wieder geöffnet werden, die neben Alltagsgegenständen auch einen eigens entwickelten Sprachcode enthielt. Davon ausgehend, dass die englische Sprache vielleicht nicht überlebt, sollte das sogenannte "prezjnt" eine Vorstellung der Menschheit des 20. Jahrhunderts vermitteln.

Dass von den Wesen der Zukunft dereinst vor allem im US-amerikanischen Raum viel ausgewertet werden muss, macht in der Ausstellung prezjnt von Christian Mayer in der Galerie Mezzanin die Serie Putting in time deutlich: Auf den collageartigen Bildern sind Ausschnitte aus überwiegend US-amerikanischen Zeitschriften zu sehen, die das dort sehr populäre Phänomen dokumentieren.

Obwohl man in der Schau sowohl die medienwirksamen "Bestattungen" (u. a. Rasierer, Klingen, Maßbänder) als auch die privaten Notizen (die der Künstler auf der Rückseite der gefundenen Bilder fand) zum Teil belächelt, kommt man an der Faszination für Zeitkapseln nicht vorbei: Vor 32.000 Jahren hat ein Eichhörnchen schließlich jene Samen vergraben, die russische Wissenschafter im Jahr 2011 wiederbelebten. Nun wachsen sie zu unscheinbaren Pflanzen heran, die auf drei Fotografien zu sehen sind.

Da Christian Mayer sie in einem alten Farbverfahren entwickelte, das Kodak mittlerweile eingestellt hat, wirkt das Zeitalter der analogen Fotografie auf diesen Abzügen schon ziemlich vergilbt. Die 200 Millionen Jahre alten Allochtone daneben erscheinen dagegen fast zeitlos: Es handelt sich dabei um Baumstämme aus Madagaskar, die aufgrund spezifischer Bedingungen (Überschwemmungen, Vulkanausbrüche) nicht verrottet, sondern versteinert sind. Artefakte, die in Mayers Ausstellung auf Zeitkapseln ganz anderer Art verweisen. Denn in Naturkundemuseen verwahrt man ganz ähnliche Fundstücke.

In einem Wiener Museum findet man übrigens auch Bibi und Büberl, die beiden Kanarienvögel, die man im 19. Jahrhundert Kaiser Franz I. als Geschenk übergab: Mayers Video El Silbo erzählt in der gleichnamigen Pfeifsprache die Geschichte der beiden Kanari. Im Gegensatz zu El Silbo werden Bibi und Büberl der Welt noch lange erhalten bleiben. Auch wenn bereits aus heutiger Sicht weder die Sehnsucht nach dem Exotischen noch das Konservieren von Tieren als besonders zivilisiert gilt.  (Christa Benzer, DER STANDARD, 22.11.2012)