Würde man Jenö Eisenbergers Lebensgeschichte einem Filmproduzenten vorlegen, er würde sie zurückweisen und ein realistischeres, weniger ins Fantastische ausuferndes Drehbuch fordern.

Die Geschichte aber ist tatsächlich gelebt, und sie ist nun nachzulesen: Wenn ich nur Österreicher wär ... heißt sie, und das Zitat resümiert die Melancholie eines Menschen, der vieles geschafft und geschaffen hat, der aber von dem Land, in dem er seit mehr als 60 Jahren lebt, nie ganz akzeptiert wurde. "Verschmitzt ironisch" taxiert sein Biograf Christof Habres den Satz.

Das wird verständlich, verfolgt man die Stationen von Eisenbergers abenteuerlichem Leben. Es begann 1922 in Ungarn, führte den jungen Jenö durch das faschistische Horthy-Regime und die mörderische Besetzung Ungarns durch die Deutschen 1944. Er überlebte die Jahre als junger Jude nur mit äußerster Not und Verstellungskunst. (Im Budapester Untergrund lernte er übrigens auch Seef Eisikovic kennen, dessen "Erinnerungen eines ehrbaren Fälschers" posthum vor zwei Jahren erschienen; ihre Wege sollten sich noch öfters kreuzen.)

Kaum der Vernichtung entgangen, geriet er als freiwilliger Soldat in Israel in den nächsten Krieg. In Wien fing er 1950 ein neues Leben als kleiner fliegender Händler an. Ein knappes Jahrzehnt später eröffnete er Österreichs ersten Supermarkt, Löwa, an der Rechten Wienzeile. Aus dem Laden wurde eine ganze Kette.

Nach deren Verkauf stieg Eisenberger noch einmal ins Geschäft ein, mit Julius Meinl III. gründete er die Pampam-Märkte. Es war eine Partnerschaft "made in heaven" und für manche Beobachter kabarettreif: der österreichische Handelspatriarch und der ungarische Jud', wie sie Marktstrategien festlegen und wie Letzterer mit Großproduzenten um den Preis einer Flasche Bier feilscht.

So erzählte man sich damals in den Siebzigern, und so erzählte es Jenö Eisenberger in vielen Gesprächen dem Autor Habres. Dieser war weniger kritischer Biograf als vielmehr Zuhörer, der fasziniert mitschrieb. Selber Galerist, interessierte ihn insbesondere des Unternehmers Passion der letzten Jahrzehnte: Durch seine Frau, sagt Eisenberger, sei er auf die Kunst gekommen. Und auch hier habe ihm sein gutes Gedächtnis für Zahlen und Werte geholfen. Seine Sammlung österreichischer Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts gilt als eine der bedeutendsten in privater Hand. Dafür wurde ihm 2006 die Auszeichnung des österreichischen Kunsthandels verliehen, die einzige große Ehrung, die ihm bislang widerfahren ist.

Dieser Tage wurde er 90. Ein Überlebender, Lebemann, großer Sammler und Genießer, "und bin doch immer ein kleiner Greißler aus Wien geblieben". Aber ein filmreifer. (Michael Freund, Album, DER STANDARD, 24./25.11.2012)