"Mur i wieza" (Mauer und Turm), 2009: Im zweiten Teil von Yael Bartanas Trilogie wird in Warschau die jüdische Gemeinde wiederaufgebaut. 

Foto: Bartana

Wien - Seine Worte hallen von den leeren, von Gestrüpp überwucherten Rängen eines Warschauer Stadions zurück: "Heilt unsere Wunden, und ihr werdet eure heilen!", ruft der polnische Führer der fiktiven "Jüdischen Renaissance-Bewegung" ins Nichts. "Kommt zurück in euer Land!" Eine flammende Rede, die Slawomir Sierakowski, linker polnischer Kritiker, für Yael Bartanas Filmtrilogie ... and Europe Will Be Stunned schrieb.

Bartana entwickelt eine Geschichte um die Rückkehr von drei Millionen israelischer Juden nach Polen: Siedler mit stolzgeschwellter Brust, optisch irgendwo zwischen dem Ideal des sozialistischen Arbeiters und nationalsozialistischem Arier angesiedelt, zimmern mitten in Warschau an ihrer Zukunft; heraus kommt ein stacheldrahtbekröntes Lager.

Bartana entwickelt einen alternativen nationalen Mythos, der Nationalismen visuell beschwört und zugleich kritisiert. "Nationalismus ist Terror" lautet die Gleichung auf einem Transparent. Die Aktivisten tragen rote Halstücher und schwarze Armbinden mit dem Logo aus Davidstern und polnischem Adler. Absurde Bilder, die zwiespältige Gefühle hervorrufen.

Leni Riefenstahl und Andrej Tarkowskij zugleich, beschrieb Kurator Charles Esche ihr filmisches Vokabular treffend. Und Bartana selbst sagt über ihre Motivation, sie hätte ihre eigene Beziehung zum andauernden Israel-Palästina-Konflikt untersuchen wollen. In der Provokation sollen Wunden geöffnet werden. Dadurch entstehe die Möglichkeit zur Diskussion. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 28.11.2012)