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Eisenkraut hat nicht nur einen, sondern viele heilende Wirkstoffe. Im Innsbrucker Labor ADSI werden Pflanzen auf ihre besten Wirkstoffe, aber auch auf deren Nebenwirkungen getestet. Die besten Kandidaten kommen als Mix in pflanzliche Arzneien.

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Im Labor am Innrain ist man der Natur auf der Spur. Das Austrian Drug Screening Institute (ADSI) könne zum Silicon Valley für pflanzliche Arzneimittel werden, schwärmte Pharmaunternehmer und Forscher Michael Popp am Dienstag bei der Eröffnung der neuen Forschungsgesellschaft.

Systematisch und mit neuester Technologie wird dort nach Wirkstoffen gesucht, die zur Behandlung von Stoffwechselerkrankungen, Entzündungen und auch von Krebs eingesetzt werden können. Nicht nur, ob eine Substanz wirkt, sondern wie, warum, und mit welchen Nebenwirkungen wird erforscht.

Durch das systematische Screening soll gewährleistet werden, dass Wirkstoffe bei der klinischen Prüfung nicht wegen unerwünschter Wirkungen durchfallen. Das Institut, das an der Leopold-Franzens-Universität angesiedelt ist, arbeitet interdisziplinär. Initiatoren sind Lukas Huber, Leiter des Biozentrums der Medizinischen Universität Innsbruck und Günther Bonn, Leiter des Instituts für Analytische Chemie und Radiochemie der Universität Innsbruck.

Zur Auswahl der besten Wirkstoffkandidaten verwendet man Testsysteme, die Verhältnisse im menschlichen Körper widerspiegeln, zum Beispiel die Sauerstoffbedingungen. Die Zellkulturen in den Labors bestehen aus Zelltypen, die bei einer Krankheit auch im Körper vorkommen. Zellbiologe Lukas Huber nennt ein Beispiel: "Uns ist es gelungen, menschliches Knochenmark im Reagenzglas nachzubauen. Wir schaffen damit eine natürliche Umgebung für Tumorzellen." Ziel sei, dass Wirkstoffe Tumorzellen selektiv töten, ohne dabei das Knochenmark zu schädigen. Getestet werden an den Zellkulturen chemisch-synthetische Wirkstoffe wie auch pflanzliche Extrakte. Man nutze damit die Intelligenz der Natur doppelt: Durch körpernahe Testsysteme und die Verwendung pflanzlicher Wirkstoffe.

Mit speziellen Extraktionsverfahren holen die Forscher das Wertvolle aus der Pflanze, zudem wird die Herstellung von Substanzgemischen optimiert. " Bisher war es ja immer das Ziel, einen einzigen Stoff gegen ein Symptom zu finden. Wir wollen das Vielstoffgemisch", erläutert Popp. Der Vorteil des komplexen Gemisches: Unterschiedliche pharmakologische Eigenschaften potenzieren sich, wirken zusammen.

Scouts in China und Kuba

Im Wirkstoffmix gebe es keine Leitpflanzen, sondern Leitstrukturen, sagt Popp: "Molekülstrukturen, die beispielsweise für antientzündliche Eigenschaften verantwortlich sind, oder solche, die für antivirale, antibakterielle Eigenschaften zuständig sind." Pflanzen, die Popp besonders interessieren, sind solche, die gegen Stoffwechselerkrankungen wirken: "Wir haben überall Scouts, insbesondere in China, aber auch in Kuba suchen wir nach neuen Heilpflanzen. Alles, was wir in den letzten Jahren für diese Indikationen gesammelt haben, wird nun im ADSI untersucht."

Wichtig zur Produktion von Phytopharmaka höchster Qualität sei die Homogenität der Rohstoffe. Um diese zu gewährleisten, sei ein jahrelanger Prozess des Pflanzens und Züchtens notwendig. "Den leisten sich aber nur wenige Firmen", fordert Popp weltweite Standards. "Das würde die Akzeptanz pflanzlicher Arzneimittel verbessern."

Offene Plattform

Das neue Innsbrucker Institut, das unter der Schirmherrschaft der Österreichischen Akademie der Wissenschaften steht, versteht sich als offene Innovationsplattform für akademische Forschungsinstitute und pharmazeutische Unternehmen. Forschung hinter verschlossenen Türen wie in der Pharmaindustrie früher üblich, entspreche nicht mehr heutigen Anforderungen, sagt Lukas Huber.

So hat ADSI internationale Firmenpartner in den USA, Deutschland und Ungarn, arbeitet mit dem Oncotyrol Center for Personalized Cancer Medicine und hat einen Exklusivvertrag mit Bionorica, einer Firma für pflanzliche Arzneimittel, die im Besitz von Popp ist. Begleitet wird es von der Tiroler Forschungsmanagementfirma Cemit (Center of Excellence in Medicine and IT).

Finanziert wird die Forschungsarbeit vom Wissenschaftsministerium, Land Tirol und Partnerfirmen wie der Bionorica. Bundesmittel für die neue Forschungsgesellschaft zu bekommen, war "eine schwierige Sache", sagt Günther Bonn. Ursprünglich habe der Bund acht Millionen Euro für drei Jahre zugesagt. Schließlich wurde auf 5,3 Millionen Euro gekürzt. Insgesamt stehen dem Austrian Drug Screening Institute neun Millionen Euro für drei Jahre zur Verfügung. (Jutta Berger, DER STANDARD, 28.11.2012)