Sie bestehen nur aus einzelnen schwarzen Strichen, fast wie Kinderkritzeleien, und trotzdem sind die Zeichnungen ziemlich explizit: ein masturbierendes Strichmännchen; zwei andere, die eigentlich ganz ähnlich aussehen, aber beide lange Haare haben, liegen gemeinsam in der Badewanne; wieder ein anderes, ein kleineres, schaut sich mit einem Handspiegel zwischen die Beine. Das sind Bilder aus einer Aufklärungsbroschüre für Sechs- bis Zwölfjährige. Ja, das ist irritierend.

Die vom rotgeführten Unterrichtsministerium in Auftrag gegebene Aufklärungsbroschüre ist unverhohlen, eindeutig, aus konservativer oder katholischer Sicht strittig - und genau die Art von Aufklärung, die Kinder brauchen. Junge Menschen wachsen heute damit auf, über Sex zu sprechen, einschlägige Praktiken sind kein Tabu, sondern Gesprächsstoff auf dem Schulhof, und Pornografie ist jederzeit gratis im Internet verfügbar.

ÖVP, FPÖ und BZÖ erregen sich über diese Broschüre. Die "Kernfamilie" werde diskreditiert, beklagt die ÖVP; die FPÖ empört sich über die Darstellung homosexueller Paare; "nicht angebracht", schreit das BZÖ. Sie argumentieren damit am Leben vorbei, wollen Kinder offenbar für dumm verkaufen. Es gibt eben auch diese anderen Familienmodelle. Politiker können das "erstrebenswerte Vater-Mutter-Kind-Ideal" gerne hochhalten. Es ist von der Realität aber längst überholt. Und das darf ruhig abgebildet werden. (Katharina Mittelstaedt, DER STANDARD, 28.11.2012)