Verteidigungsminister Norbert Darabos zum anvisierten Berufsheer: "Die Umstellung des Systems, die eine tiefgreifende Strukturreform ist, wird mehrere Jahre dauern."

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In weniger als zwei Monaten wird das Volk über die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht befragt. Verteidigungsminister Norbert Darabos räumt im Gespräch mit derStandard.at Informationsdefizite ein. Er will die Aufklärungsarbeit bis Weihnachten verstärken und dafür auch ein Online-Abstimmungsbuch einsetzen, das er ursprünglich nur unter der Bedingung verwenden wollte, dass die ÖVP ihr Modell veröffentlicht. Woher die künftigen Soldaten kommen sollen und über die nächsten Schritte in der Eurofighter-Causa sprach er mit Katrin Burgstaller. Keinen Kommentar gab es zu jüngsten Gerüchten über eine baldige Ablöse des Verteidigungsminsters.

derStandard.at: In zwei Monaten findet die Volksbefragung zur Wehrpflicht statt. Viele Menschen fühlen sich nicht gut genug informiert. Wie sehen Sie das?

Darabos: Ich bin relativ viel unterwegs in Österreich. Es ist tatsächlich so, dass die Menschen da und dort ein Informationsdefizit beklagen. Ich versuche dem entgegenzuwirken, durch Veranstaltungen und durch Medienarbeit. Ich bin auch bereit über ein Online-Abstimmungsbuch diesem Defizit entgegenzuwirken. Mir ist jede Maßnahme recht, die dazu beiträgt, die Menschen über die Modelle zu informieren. Ich möchte nur nicht in den Geruch kommen, zu viel Steuergeld zu verschwenden.

derStandard.at: Es gibt aber viele Menschen, die mit dem Internet nicht so vertraut sind und keinen Zugang zum Abstimmungsbuch hätten.

Darabos: Es gibt Möglichkeiten auch über die Komitees direkt an die Bürger heranzutreten und unser Modell zu präsentieren. Das werden wir auch tun. Wir haben nicht mehr viel Zeit, aber es sind doch noch zwei Monate. Wir werden rund um die Weihnachtszeit unsere Informationsarbeit verstärken.

derStandard.at: Die Bevölkerung stimmt für die Einführung des Berufsheeres mit freiwilligem Sozialjahr oder für die Beibehaltung der Wehrpflicht mit Zivildienst. Das Ja zum Berufsheer ist aber nicht automatisch ein ja für Ihr Modell, oder?

Darabos: Wir wollen eine Mischvariante aus Berufs- und Zeitsoldaten mit einer freiwilligen Profimiliz, die im Krisenfall jederzeit einsatzbereit wäre. Bei der Frage Ja zum Berufsheer geht es um dieses Modell.

derStandard.at: Sollten die Österreicher also für das Berufsheer stimmen, kommt automatisch Ihr Gesamtpaket? Ist das mit der ÖVP schon paktiert?

Darabos: Wir haben in der Regierung paktiert, dass wir das Abstimmungsergebnis zur Kenntnis nehmen. Ich gehe davon aus, dass die ÖVP zu ihrem Wort steht.

derStandard.at: Das heißt, es müsste dann nicht erst noch über ein Berufsheermodell verhandelt werden?

Darabos: Davon gehe ich aus. Es steht mein Modell zur Abstimmung.

derStandard.at: Sie brauchen dann aber auch noch eine Verfassungsmehrheit, die die Abschaffung der Wehrpflicht ermöglicht. Die Grünen könnten aber beispielsweise die Wiedereinsetzung der Bundesheerreformkommission einfordern, damit sie ihr ok geben.

Darabos: Wir hatten über Jahre eine Bundesheerreformkommission, die gute aber nicht zu 100 Prozent befriedigende Ergebnisse lieferte. Ich brauche für die Umsetzung des Modells nicht unbedingt eine Verfassungsänderung. Das Aussetzen der Allgemeinen Wehrpflicht wäre mit einfacher Mehrheit möglich, also mit Stimmen der ÖVP und SPÖ.

Das soll keine Drohung in Richtung der anderen Parteien sein, aber ich gehe davon aus, dass auch die anderen Parteien, der Entscheidung, die die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich hat, zustimmen werden.

derStandard.at: Die Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht wäre verfassungskonform?

Darabos: Davon bin ich zu 100 Prozent überzeugt.

derStandard.at: Wann würden Sie die entsprechenden Gesetzesänderungen für das Berufsheer dann durchziehen wollen?

Darabos: Wir würden mit der Umsetzung am Tag nach der Volksbefragung beginnen. Die Umstellung des Systems, die eine tiefgreifende Strukturreform ist, wird dann mehrere Jahre dauern.

derStandard.at: Wenn Sie aber auf eine Verfassungsänderung verzichten und die Wehrpflicht nur aussetzen, wäre eine Folgeregierung nicht mehr so stark gebunden. Mit einfacher Mehrheit könnte die Wehrpflicht wieder eingesetzt werden.

Darabos: Gebunden ist in der Demokratie niemand. Man kann auch ein Verfassungsgesetz mit einer Zweidrittelmehrheit wieder ändern. Eine neue Regierung könnte andere Prioritäten setzen. Ich denke aber nicht, dass das sehr sinnvoll wäre. 21 von 27 Staaten haben bereits auf das Berufsheer umgestellt. Keiner von diesen Staaten ist zur allgemeinen Wehrpflicht zurückgekehrt.

derStandard.at: Sie wollen, dass 2014 keine Rekruten mehr einberufen werden. Wie wollen Sie so kurzfristig die so entstehende Lücke schließen?

Darabos: Wir haben einen klaren Zeitplan festgelegt. Wir gehen davon aus, dass wir 5.000 Profisoldaten sofort rekrutieren könnten. So könnten wir alle Leistungen, die jetzt von Rekruten erbracht werden mindestens in der gleichen, wenn nicht sogar in einer höheren Qualität durchführen. Deshalb, ist es gerechtfertigt, so wie das auch in Deutschland der Fall war, den Grundwehrdienst in einer relativ kurzen Zeit auszusetzen oder abzuschaffen.

derStandard.at: Sie wollen 9.300 Profimilizsoldaten, die jährlich 5.000 Euro bekommen und unter anderem auch für den Katastrophenschutz verfügbar sind. Aber theoretisch könnten sie schon Soldaten aus dem jetzigen Milizpool für den Katastrophenschutz heranziehen.

Darabos: Ja, das ist die beorderte Miliz. Diese müssen aber nicht in dem Ausmaß üben wie die Profimilz. Der Vorteil der Profimiliz ist eine sechsmonatige Ausbildung, regelmäßige Übungen und die Bereitschaft im Katastrophenfall innerhalb von fünf Tagen für das Österreichische Bundesheer im Inland zur Verfügung zu stehen. Das ist eine neue Qualität der Miliz. Es ist daher nicht rational nachvollziehbar, warum die Milizverbände gegen die Professionalisierung der Miliz auftreten.

derStandard.at: Zu den Zeitsoldaten. Müssen diese die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen?

Darabos: Unsere Zeitsoldaten müssen österreichische Staatsbürger sein, 18 Jahre alt sein und die Pflichtschule abgeschlossen haben. Sie verpflichten sich zwischen drei und neun Jahre für das Heer. Wir wollen so auch eine Blutauffrischung bewirken. Derzeit ist unser Berufskader durchschnittlich 41,5 Jahre alt. Mit unserem Modell würden wir den Altersschnitt auf 35 Jahre senken. Ohne den Älteren nahe treten zu wollen, aber das würde auch eine stärkere Leistungsfähigkeit bedeuten.

derStandard.at: Ein Drittel der jetzigen Zeitsoldaten werden direkt als Rekruten abgeworben, viele kommen Jahre nachdem sie den Präsenzdienst abgeleistet haben. Das heißt der Präsenzdienst ist für sie auch ein wichtiges Rekrutierungstool.

Darabos: Der Präsenzdienst ist eben nur zu einem Drittel Rekrutierungsgrund, zwei Drittel kommen bevor oder lange nachdem sie den Grundwehrdienst abgeleistet haben. Es muss natürlich professionelle Rekrutierungsmaßnahmen geben für die Zeitsoldaten. Wir haben Studien, denen zufolge junge Menschen aus sämtlichen gesellschaftlichen Schichten und in hoher Anzahl bereit wären, zum Bundesheer zu gehen.

derStandard.at: Würden Sie dann in den Bundesländern Rekrutierungsbüros gründen?

Darabos: Ja. Diese wären Teil des neuen Bundesheeres.

derStandard.at: Soll mit dem Berufsheer eine Änderung der nationalen Sicherheitsstrategie einhergehen?

Darabos: Wir haben die Sicherheitsstrategie geändert mit einem Beschluss der Bundesregierung und zwar einstimmig im Ministerrat. Diese Sicherheitsstrategie ist eine Abkehr von der alten Sicherheitsdoktrin, die im Jahr 2001 gegen die Stimmen der SPÖ von Schwarz-Blau beschlossen wurde. In der schwarz-blauen Doktrin ist die Abschwächung des Neutralitätsstatus enthalten sowie eine stärkere Annäherung an die NATO. Mit der neuen Sicherheitsstrategie ist das jetzt wieder revidiert worden. Die neue Sicherheitsstrategie ist aus sehr durchsichtigen Motiven jedoch noch nicht im Parlament beschlossen worden. Ich fordere das Parlament auf, diese nun endlich zum Beschluss zu bringen.

derStandard.at:  Also die NATO ist für Sie weiterhin kein Thema?

Darabos: Nein. Das ist auch keine Frage des Wehrsystems.

derStandard.at: Noch eine Frage zu den Eurofightern. Möglicherweise ist der Kauf nicht korrekt abgelaufen, es tauchen immer wieder dubiose Geldflüsse auf. Wäre eine Rückabwicklung der Eurofighter aus heutiger Sicht ökonomisch sinnvoll?

Darabos: Das muss man sich anschauen. Unbestritten ist, dass der Eurofighter bei uns seit dem Jahr 2007 implementiert wird. Wir müssen jedoch einen Schritt nach dem anderen setzen. Zuerst muss Korruption nachgewiesen werden. Was jetzt medial kolportiert wird, wurde an mich als Verteidigungsminister weder von der Staatsanwaltschaft in Österreich noch von den ausländischen Staatsanwaltschaften herangetragen. Sollten sich die Korruptionsvorwürfe als richtig herausstellen ist eine Rückabwicklung möglich oder auch eine Schadenersatzzahlung. Das muss dann juristisch und ökonomisch bewertet werden. (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 29.11.2012)