Essen Sie Ihren Garten! Anleitungen dazu findet man in sagenhaft guten Neuerscheinungen am Buchmarkt.

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Die Wut auf den Garten gehört dazu. Sie ist mächtig. Sie nimmt die Freude an den Pflanzen, sie nimmt die Freude am Garteln, und sie nimmt das Animo, sich in irgendeiner Form weiter mit dem Garten auseinanderzusetzen. Die Wut hat so viel Macht, dass es ihr ohne Mühen gelingt, aus einem schönen einen wirklich vernachlässigten Garten zu machen. Und wie so oft ist die größte Wut die Wut auf sich selbst.

Diese projiziert man dann auf ein Ausweichobjekt, das unmittelbar dazugehört - dazugehört zum Drama, dazugehört zur Emotion, dazugehört zum erweiterten Ich-Begriff. Würde man sich nicht so sehr mit seinem Garten identifizieren, wäre das alles kein Problem. Aber dieser elende Garten ist in Wahrheit nichts anderes als ein kristallklarer Spiegel der eigenen Persönlichkeit. Und warum soll man anders reagieren, wenn einem der Spiegel vorgehalten wird?

Platz für Entrüstung, Platz für Zorn, Platz für explodierende, zuvor runtergeschluckte Gefühle! Platz für all die staunende Entrüstung, Platz für die Fragen, die dieser Zustand über einen selbst aufwirft! Entsteht dabei Neues? Oder entsteht nur eine Ahnung von Bewusstsein, was andere längst wissen? Immer dieser Druck, immer diese verdammte Perfektion, immer das Wissen, etwas tun zu müssen. Gib doch endlich Ruh! Es lebe der Krautacker.

Statt Freiheit Gefängnis

Ständiges Zupfen, Schneiden, Düngen - nie freiwillig, immer unter Druck. Du musst. Du musst gießen gehen, du musst Verblühtes wegschneiden, du musst die Ernte einholen. Statt Freiheit Gefängnis. Das ist der Garten. Und die Gärtner lassen sich von den Farben und Gerüchen einlullen. Glauben, sie agierten aus sich heraus, schafften etwas Kreatives. Niente. Der Garten ist das Ende der Freiheit.

Der Garten bedeutet Unterwerfung. Und das ein Leben lang. Oh wie selig jene Menschen, die das längst erkannt haben. Sie haben das Joch abgeschüttelt: keine Blumen mehr. Keine Rabatten, keine Kataloge. Ein wenig Rasen eventuell, eine immergrüne Hecke. E basta. Von ihnen kann man lernen. Sie haben wieder Platz und Zeit für Spannendes im Leben. Sie können verreisen. Sie können lesen. Sie haben einen Entscheidungsfreiraum, der keine Gartendogmen kennt. Sie brauchen keine Wetterprognosen mehr studieren. Sie müssen keine Nachbarn mehr anschleimen. Wege ins Bauhaus oder zum Gärtner sind ihnen fremd. Und sie verbringen ihre Zeit mit Tätigkeiten, die frei von Zwängen sind. Die frei von Ärger sind.

Zwischen Kontrolle und Loslassen

Muss der Garten perfekt sein? Wer schafft einem das an? Kann man die Zügel schleifen lassen, Verluste in Kauf nehmen? Wer möchte das entscheiden? Ist das ständige Oszillieren zwischen Kontrolle und Loslassen nicht ein Suchen nach einem Weg, nach dem persönlichen Weg, nach dem Weg, der das Ich des Gärtners widerspiegelt? Eine dieser elenden Fragen, vor der es so viel leichter ist, gedanklich davonzulaufen, die es leichter macht wegzuhören.

Bis dahin gibt es eine ganz klare Empfehlung gegen den Gartenblues: Essen Sie Ihren Garten! Anleitungen dazu findet man in sagenhaft guten Neuerscheinungen am Buchmarkt. Empfehlung Nummer eins: Österreich vegetarisch von Katharina Seiser und Meinrad Neunkirchner. Ein Kompendium für die Seele. Empfehlung Nummer zwei: Foraged Flavor von Tama Matsuoka Wong und Eddy Leroux. Liebenswerter kann eine Anleitung zum Sammeln, Zubereiten und Verzehren von Wildpflanzen nicht sein. Empfehlung Nummer drei ist der sechshundert Seiten starke Wälzer Tender - Gemüse von Nigel Slater. Ein hocherotisches Buch, das aus Gemüseverweigerern im Nu abhängige Anbeter aschfahler Artischockenböden macht. Schenken Sie sich das! (Gregor Fauma, Rondo, DER STANDARD, 30.11.2012)