Wie unterscheidet sich das relativ teure Große Wörterbuch der deutschen Sprache (GWDS) vom viel günstigeren Universalwörterbuch, das 2011 in Buchform und elektronisch erschienen ist? Bei einem Vergleich stellt man zunächst verblüfft fest, dass es gar nicht so leicht ist, Unterschiede zu entdecken. Das größte Wörterbuch des Mannheimer Verlages baut stark auf dem Universalwörterbuch auf, sowohl bei Stichwörtern als auch Erklärungen.

Ein Beispiel: Beim Stichwort Greißler gibt es in beiden Fällen dieselbe Erklärung, nämlich "kleiner Lebensmittelhändler", den etymologischen Hinweis "Nebenform von älterem Gräußler, zu Graus = (Getreide)Korn" und die Markierung "besonders ostösterreichisch". Im GWDS findet man aber auch ein Zitat von Alois Brandstetter, in dem das Stichwort vorkommt. Diese Ergänzungen durch Zitate wiederholen sich in unzähligen Fällen, wobei auffällt, dass viele älteren Publikationen entnommen sind. So etwa zitiert man beim Wort Ratingagentur aus dem Wirtschaftsmagazin Capital des Jahres 2000, bei promiskuitiv aus dem Spiegel 1991 und bei Zoff aus der Programmzeitschrift Hörzu von 1973.

Da das GWDS jüngeren Datums ist als das Universalwörterbuch, findet man natürlich auch diverse Neuaufnahmen. Dazu gehören zum Beispiel der Eurobond, der Pop-up-Blocker (mit einem Zitat aus dem STANDARD) und der/die Wutbürger/in. Der Rettungsschirm wird allerdings neben seiner wörtlichen Bedeutung nur allgemein als "Rettungspaket" erklärt, obwohl er in den letzten Jahren eine spezifische Bedeutung in der EU bekommen hat; doch darauf nimmt auch das ausgewählte FAZ-Zitat aus 2009 nicht Bezug. Der ESM, der Schuldenschnitt und eine so üblich gewordene Redewendung wie "eine Summe wird schlagend" sind ebenso wenig im GWDS zu finden wie die neue Bedeutungsvariante des Wortes stemmen, im Sinne von etwas (mühsam) schaffen.

Natürlich haben auch Bedeutungserweiterungen und bessere Erklärungen Einzug gehalten; so findet man etwa beim Stichwort Safari jetzt die zweite Bedeutung "(besonders in Ostafrika) längerer Fußmarsch [mit Trägern und Lasttieren]" oder bei der Eurozone die Ergänzung "Währungsgebiet, in dem der Euro Zahlungsmittel ist". Bei diversen Stichwörtern vermisst man jedoch die Anschau-lichkeit, etwa wenn das Adjektiv onomatopoetisch kurz als "lautmalend" erklärt wird oder die Stundung als "das Stunden" oder "Prolongation". So steht es übrigens auch im Universalwörterbuch.

Wirklich hilfreich ist die Kontextspalte, die häufig rechts am Bildschirm erscheint. Bleiben wir beim vorhin erwähnten Pop-up-Blocker; ruft man dieses Wort auf, kann man in der rechten Spalte lesen, was man unter einem Pop-up versteht. Oder beim Stichwort Sprit erscheinen die aktiven Kontextwörter Spiritus und Esprit zusammen mit den Erklärungen.

Werfen wir noch einen Blick darauf, wie Austriazismen in der "umfassendsten Dokumentation der deutschen Gegenwartssprache" (Pressetext) behandelt werden. Das Firmenbuch und das Körberlgeld haben Einzug gehalten, beim Wort Karenz wird jetzt neben dem Karenzurlaub eine zweite Bedeutungsvariante erwähnt, nämlich "Anspruch auf Freistellung von der Arbeit gegen Entfall des Arbeitsentgelts".

Die Kurzparkzone, die Lehrlingsentschädigung, die Parteibuchwirtschaft und das Zetterl (für Zahlungsbeleg) vermissen wir nach wie vor. Dass wir in Österreich teilweise auch andere Artikel gebrauchen als in Deutschland, etwa im Fall von das Monat und der Benzin, haben auch die zahlreichen Mitarbeiter des GWDS nicht zur Kenntnis genommen. Schließlich sucht man bei den idiomatischen Redewendungen vergeblich nach "am Plafond sein / den Plafond erreichen" oder "die Butter am Brot".

Noch kurz zur Frage, ob sich der Preis von 200 Euro für das GWDS lohnt. Ja, für jene, die das neueste Wörterbuch haben wollen und Zitate schätzen, sowie für all jene, die glauben, im Kontext mit der deutschen Gegenwartssprache nichts versäumen zu dürfen; doch Letzteres ist eine Illusion. Wer sich den Preis nicht leisten kann, ist mit dem Universalwörterbuch gut bedient.   (Josef Schneeweiß, Album, DER STANDARD, 1./2.12.2012)