Bild nicht mehr verfügbar.

 

Foto: REUTERS/Darrin Zammit Lupi

Auf der großen europäischen Filmlandkarte ist noch Platz für eine kleine Insel – obwohl Malta, der Zwergstaat im Mittelmeer, diesbezüglich seit Jahren abtrünnig ist. Diente die ehemalige britische Kolonie nämlich bisher als Schauplatz für einen Film, handelte es sich meistens um einen amerikanischen Historien-Blockbuster. Eignet sich das antik-mediterrane Ambiente doch hervorragend als Hintergrund für pathetische Monumentaldramen wie Gladiator oder Troja.

Dass der ausgerechnet aus Troja siegreich heimkehrende Agamemnon angeblich als Erster über einen roten Teppich schritt, passt sehr gut zur Tatsache, dass am Wochenende neue, friedliche Besatzer in die Festungsstadt Valletta kamen, um ebenfalls am Ende eines roten Teppichs einander Trophäen zu überreichen. Nach Phöniziern, Römern und Vandalen hielten nun die europäischen Filmschaffenden auf Malta Einzug. Derart geballte Kinokultur auf engstem Raum war für den Europäischen Filmpreis selbst beim 25-jährigen Jubiläum neu.

Litt die Zeremonie vergangenes Jahr in Berlin unter dem Fernbleiben einiger Ausgezeichneter, hatten heuer immerhin die Favoriten ihr Kommen angekündigt. Zwei der Preisträger standen bereits fest: Die britische Schauspielerin Helen Mirren, seit ihrer oscarprämierten Darstellung in The Queen im Popularitätshoch, wurde in der nach wie vor sperrigen Kategorie "Beste europäische Leistung im Weltkino" ausgezeichnet, der italienische Autorenfilmer Bernardo Bertolucci (Der letzte Kaiser) für sein Lebenswerk.

Dass im Rahmen der erneut von Anke Engelke mit gutem Witz moderierten Gala diesmal ein Großteil der Preise persönlich in Empfang genommen werden konnte, lag auch an der Konzentration auf einige wenige Filme in mehreren Kategorien: So zog etwa Michael Hanekes Amour mit sechs Nominierungen als Favorit ins Rennen, gefolgt von Steve McQueens Shame und Thomas Vinterbergs The Hunt mit jeweils fünf Nennungen.

Während sich Letztere, ebenso wie Tomas Alfredsons Spionagedrama Tinker Tailor Soldier Spy, mit Nebenpreisen zufriedengeben mussten, avancierte Amour mit vier Auszeichnungen – darunter für den besten Film und die beste Regie – zum großen Gewinner des Abends.

Hanekes Hauptdarstellerin Emmanuelle Riva wurde als beste Schauspielerin, ihr Filmpartner Jean-Louis Trintignant als bester Schauspieler gekürt, sie bedankten sich mittels Grußbotschaften.

Dass mit Amour ein Film besonders geehrt wurde, der als französisch-deutsch-österreichische Gemeinschaftsproduktion bereits beim Gewinn der Goldenen Palme in Cannes die ständig auftauchende Frage nach seiner Nationalität ad absurdum führte, fügte sich an diesem Abend hervorragend zum allseits proklamierten europäischen Gemeinschaftsdenken.

Alle unter einem Schutzschirm und im selben Boot, so schien das Motto – nicht nur, aber auch angesichts der Tatsache, dass einzelne nationale Kinematografien wie jene Griechenlands mittlerweile praktisch bankrott sind.

Ein seltsamer Spagat, der sich da auftut: Während einerseits in Europa immer mehr Filme produziert werden, verknappt sich gleichzeitig der Markt, indem immer weniger europäische Produktionen in die – auch österreichischen – Kinos kommen. Eine Gala der Europäischen Filmakademie, mit teilweise bizarrem Glamour in Szene gesetzt, ist aber offensichtlich nicht der richtige Ort für derartige Überlegungen.

Wenngleich ihr Präsident Wim Wenders nicht nur gegen die finanzielle, sondern auch gegen die "ideologische Krise" Europas Maßnahmen einforderte. Wie dieses von Wenders als "Medizin" apostrophierte Kino aussehen soll, das war den Videostatements arrivierter Filmschaffender zu entnehmen: ein europäisches Kino, das sich seiner Tradition und seinem historischen Erbe bewusst sei.

Positive Abgrenzung

Damit sind einerseits eine positive Abgrenzung zum finanziell übermächtigen Konkurrenten aus den USA gemeint sowie das Einschwören auf die alte Formel, dass man den Kinogängern nur ausreichend Gelegenheit zur Vielfalt bzw. Futter für den Kopf bieten müsse. Wer ständig Kartoffelpüree vorgesetzt bekomme, so Haneke, der hätte eben keinen Appetit mehr auf Spinat. Wo doch ausgerechnet einer der bekanntesten Filme, die auf Malta gedreht wurden, Robert Altmans Popeye ist. (Michael Pekler aus Valletta, DER STANDARD, 3.12.2012)