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Leistet die staatliche "Informationsgewährung" der Korruption Vorschub? Geschwärzte Akten im Korruptions-U-Ausschuss.

Foto: dapd/Punz

Die grundlegende Änderung der gesellschaftspolitischen Verhältnisse unter Mithilfe vollkommen neuer Kommunikationsmöglichkeiten bringt tiefgreifende Neuerungen in die Beziehungen der Menschen untereinander. Aber auch die Haltung der Menschen zum Staat und - vice versa - bedarf einer Neudefinition, wie nicht zuletzt die jüngsten Korruptionsskandale in dieser Republik anschaulich vor Augen führen.

Dabei manifestiert sich ein menschenrechtlich bemerkenswerter Wertungswiderspruch: Dem Staat stehen umfassende und immer umfangreicher werdende Datensammlungen zur Verfügung, die Wahrung der Privatsphäre wird massiv eingeschränkt. Der rechtsstaatliche Umgang damit ist aber oft nur unzureichend sichergestellt. Der Rechtsweg ist in vielen Fällen unzulässig. Der Einzelne hat mangels Kenntnis der Speicherung häufig keine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren. Die Einrichtung des Rechtsschutzbeauftragten hat sich in gewissen Bereichen bewährt, dies aber nur aufgrund einzelner Persönlichkeiten, die ihr Amt überaus ernst nehmen. Die im Gerichtsverfahren garantierte Unabhängigkeit von der Staatsmacht kann diese Institution an sich nicht ersetzen.

Die Informations(zugangs)freiheit ist aber insgesamt außerordentlich unterentwickelt. Diese unbefriedigende Situation wird durch das nach wie vor - einmalig in der zivilisierten Welt - in der österreichischen Bundesverfassung verankerte und von den staatlichen Institutionen sehr restriktiv gelebte Amtsgeheimnis verschärft. Das Auskunftspflichtgesetz bietet kaum Hilfe. Die sehr stark auf Geheimhaltung gerichtete Haltung der Behörden lässt sich dabei nicht allein auf den Art. 20 B-VG zurückführen. Sie ist vielmehr als Relikt obrigkeitsstaatlicher Politik- und Verwaltungspraxis zu interpretieren, in der Wissen Macht bedeutet und Macht (und damit Wissen) ungern geteilt wird. Dahinter steht wohl auch die Befürchtung, dass die "normunterworfenen" Bürger - wüssten sie über staatliches Handeln besser Bescheid - unangenehme Fragen stellen könnten.

Gleichzeitig wird die so hochgehaltene Verschwiegenheitspflicht von den eigenen Organen oft höchst eigenwillig interpretiert, sodass es gar nicht so selten - zu Verletzungen schutzwürdiger Persönlichkeitsrechte kommt. So geschehen bei der Information der Medien durch offizielle Stellen über die gleichzeitig laufende Hausdurchsuchung bei Karl Heinz Grasser. Aber nicht nur Prominente wurden öffentlich bloßgestellt, immer wieder widerfuhr Ähnliches in der jüngeren Vergangenheit auch Asylwerbern oder Fremden, deren Daten in der Öffentlichkeit irgendwelche Interessen bedienen sollten.

In der Gesamtbetrachtung wird aus den angeführten Beispielen klar ersichtlich, dass in Österreich dem staatlichen Interesse an einer friktionsfreien, wenig infrage gestellten Verwaltung ein deutlicher Überhang gegenüber dem in der Politik so häufig beschworenen "mündigen Bürger" eingeräumt wird, indem man Informationen gerne vorenthält.

Zudem gewinnen aber all diese menschenrechtlich bedenklichen Vorgänge durch die in den letzten Monaten immer häufiger aufbrechenden Korruptionsaffären noch eine zusätzliche Dimension: Nicht umsonst ist das Schlagwort, mit dem Korruptionsexperten wie Transparency International der Problematik begegnen wollen, Transparenz. Wie man beobachten musste, waren bisher weder Innenrevision noch parlamentarische Kontrolle geeignet, Korruption in Politik und Verwaltung zu verhindern. Es drängt sich damit aber die Überlegung auf, dass die eingangs beschriebene restriktive staatliche Informationsgewährung einer Förderung der Korruption zumindest Vorschub leistete.

Es bedarf daher einer grundlegenden Umorientierung: Staatliches Handeln muss für die Bevölkerung zumindest im Regelfall durchsichtig und nachvollziehbar sein, nur dann kann Korruption aufgedeckt oder - noch wichtiger - bereits im Ansatz hintangehalten werden. Das setzt allerdings voraus, dass Amtsgeheimnis und Verschwiegenheitspflicht zur Ausnahme werden und nur in jenen Fällen Platz greifen, in denen es tatsächlich um die nationale Sicherheit oder den Schutz der berechtigten Interessen einzelner Menschen geht. Erst das sichere Wissen, dass das Handeln der staatlichen Organe offengelegt werden muss, zwingt die Akteure zu nachvollziehbaren Begründungen für ihr Tun und Lassen.

Das erfordert aber einen Paradigmenwechsel in der österreichischen Legislative, Exekutive und in jenen Teilbereichen, in denen die Justiz nicht öffentlich arbeitet. Es ist also höchste Zeit für ein "Informationsfreiheitsgesetz", auch wenn dies eine Kulturrevolution bedingt, die vor allem in den Köpfen der Politiker, aber auch der Verwaltungsmitarbeiter stattfinden muss. Im Sinne einer partizipativen Gesellschaft, in der die Menschen dem Staat und seinen Organen gleichberechtigt gegenüberstehen wollen, ist ein qualitativ gleichwertiger Wissensstand vonnöten. Es ist unumgänglich, dass Österreich sich auch beim Menschenrecht der Informationsfreiheit nicht mit den hinteren Rängen zufriedengibt, und damit auch noch Entwicklungen in Richtung Korruption begünstigt, sondern offensiv einen Kurswechsel in Angriff nimmt. (Barbara Helige, DER STANDARD, 11.12.2012)