Dieses Gebäude wird nicht gebaut: Die Tiefenbohrung ist gescheitert.

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Wien - "Der Untergrund ist halt kein Ildefonso", seufzt Professor Johann Goldbrunner von der TU Graz im Standard-Gespräch. Bis zu einer Tiefe von mehr als 3400 Metern hatten er und sein Team bei der Erkundungsbohrung in Aspern genau das gefunden, was erwartet wurde.

Doch dann begannen die Brösel. Oder besser: Es bröselte nichts. "Im Bereich von 3800 bis über 4000 Meter bekamen wir erhebliche Probleme", berichtet Goldbrunner. "Wir stießen auf Gesteine, die bohrtechnisch sehr schwierig sind - sie verliefen nicht horizontal, sondern steckten steil im Untergrund." Der Bohrmeißel blieb stecken.

Bohrungen bei mehr als 4000 Meter Tiefe abgebrochen

Dazu kam die Prognose, dass der gesuchte Hauptdolomit, in dem das ersehnte Thermalwasser erwartet wurde, doch um einiges tiefer liegen dürfte. Und: Bei weiterer Tiefe müsste das Bohrloch enger werden - und damit auch die künftige Ausbeute geringer.

Das war es dann. Die Erkundungsbohrung wurde bei mehr als 4000 Meter Tiefe abgebrochen. "In der nächsten Zeit werden einmal Wunden geleckt. Dann gilt es aber die Ergebnisse aufzuarbeiten, die geologischen Modelle neu einzuordnen und mögliche neue Erkundungsstrategien auszuarbeiten." Künftige Erschließungen "möchte ich keinesfalls ausschließen", betont Goldbrunner.

Zwölf Millionen verloren

Damit sind nicht nur die bisher investierten zwölf bis 13 Millionen Euro für die Wien Energie verloren: "Die Geothermie wäre für uns eine gute Alternative gewesen, um den Anteil an erneuerbarer Energiegewinnung zu heben", räumt der für die Fernwärme zuständige Wien-Energie-Sprecher Boris Kaspar ein.

Geplant war, die vom Thermalwasser gewonnene Wärme direkt in jenes Fernwärmenetz einzuspeisen, mit dem auch das Stadtentwicklungsgebiet Aspern versorgt werden soll. 40 Megawatt erneuerbare Wärmeleistung fallen damit aus - 40 Megawatt, mit denen bis zu 40.000 Wohnungen nachhaltig mit Wärme versorgt worden wären.

Kein Kapazitätsengpass

Ein Kapazitätsengpass entstehe dadurch aber nicht, versichert Kaspar: "Mit unserem Kraftwerkspaket sind wir ohnehin gut aufgestellt." Nur: Die erwartete Reduktion von fossilen Brennstoffen ist nun so nicht mehr möglich.

Bei der Seestadt-Entwicklungsgesellschaft "Wien 3420" geht man davon aus, dass der neue Stadtteil so oder so ans Fernwärmenetz angeschlossen wird. Aber man versuche weiterhin, Nachhaltigkeit in allen Bereichen umzusetzen und den Anteil erneuerbarer Energien so hoch wie nur möglich zu halten - so die vorsichtige erste Reaktion bei "Wien 3420".

Konsequenzen für Wiens Energiestrategie

Sehr wohl hat dieser Fehlschlag aber Konsequenzen für die Energiestrategie von ganz Wien: Die Geothermie war ein wichtiger Eckpfeiler für das Ziel, bis 2030 rund 50 Prozent des Wiener Strom- und Wärmebedarfs mit Erneuerbaren abzudecken.

"Man wird den Erneuerbaren-Anteil jetzt sicher neu berechnen und allenfalls die Energiestrategie adaptieren müssen", bestätigt Christoph Chorherr, Energie- und Planungssprecher der Wiener Grünen.

Man müsse sich nun in anderen Bereichen noch mehr anstrengen, in allererster Linie beim Energieverbrauch, "der so sparsam wie irgendmöglich werden muss". Und dazu die Nutzung der Solarenergie: "Die ist unerlässlich - nicht beim Hausbau von morgen, sondern schon beim Hausbau von heute." Bei der von den Grünen geforderten "Solarverpflichtung" in der Bauordnung "scheint ein guter Kompromiss möglich zu sein", hofft Chorherr.(Roman David-Freihsl, DER STANDARD, 14.12.2012)