Ein unvorstellbares Gemetzel im Land und eine Destabilisierung der ganzen Region verhindern zu wollen: Damit begründete Russland seit Beginn des Syrien-Konflikts seine Blockade internationaler Sanktionen.

Eineinhalb Jahre später weiß man zwar nicht, ob ein Einschreiten der Staatengemeinschaft den Bürgerkrieg hätte abwenden können. Was man aber weiß, ist, dass die befürchteten Verhältnisse nahezu eingetreten sind: mehr als 40.000 Tote, mehr als eine halbe Million Flüchtlinge im Ausland und ein Erstarken der extremistisch-islamistischen Kräfte innerhalb der bewaffneten syrischen Opposition.

Dass dies geschehen würde, je länger der Konflikt andauert, war von vielen vorausgesagt worden. Und es musste auch den Nahost-Experten in Moskau bewusst sein, von denen es gewiss nicht wenige gibt.

Aber die offiziellen Gründe für die russische Syrien-Politik waren und sind eben nicht die wahrhaftigen. Nach dem Nato-Einsatz in Libyen und dem Sturz Gaddafis wollte sich Moskau nicht ein weiteres Mal vom Westen "demütigen" lassen - und vor allem: seine Einflusszone im östlichen Mittelmeer nicht preisgeben. Die könnte nun freilich mit eigenem kräftigen Zutun bald perdu sein.

Denken im Schema des Kalten Krieges warf Moskaus Außenminister den USA jüngst in anderem Kontext vor. Dass seine eigenen kalten Krieger eine weit größere Gefahr auch für Russland selbst sind, zeigt das syrische Debakel. (Josef Kirchengast, DER STANDARD, 14.12.2012)