"Jede Szene braucht ihren eigenen Film", dachte sich der Freundeskreis rund um Florian Toegel und Max Kernmayer. Die Scooterfahrer haben "Vienna Calling" komplett in Eigenregie gedreht.

Foto: Standard/Kernmayer

Wien - Einen Kurzfilm zu produzieren ist alles andere als einfach. Jeder Nachwuchsregisseur kann davon wohl ein Lied singen. Man braucht Geld für das Kameraequipment, oft auch für die Schauspieler, muss Filmlocations auftreiben, nach Drehgenehmigungen anfragen und, und, und. Vor allem aber braucht man eins: Leidenschaft und den unbändigen Willen, einen Film von der ersten Idee bis zur Kinopremiere durchzuziehen.

Die Wiener Schüler Max Kernmayer (19) und Florian Toegel (17) haben sich genau dies vorgenommen. Für ihren Film Vienna Calling haben sie sich mit ihren Freunden zusammengetan, um ihr Hobby einem größeren Publikum zugänglich zu machen.

Der Sportfilm dreht sich nämlich einzig und allein ums Scooterfahren, eine Trendsportart, die auch in Österreich immer beliebter wird. Vor bereits einem Jahrzehnt entstand die Idee, das Fortbewegungsmittel Roller nicht nur als solches zu benutzen, sondern ähnlich dem Skateboard auch Tricks und Sprünge damit zu vollführen. Was früher mit einem selbstgebauten Scooter begann, hat sich heute zu einer veritablen Industrie entwickelt, mit eigenen Herstellern und Marken.

Ohne Sponsoren im Rücken

Nach Österreich schwappte der Trend Mitte der 2000er-Jahre, doch erst in den letzten zwei Jahren entwickelte sich daraus ein ernstzunehmender Sport. Toegel, schon seit vier Jahren in der Szene und einer der besten Fahrer Österreichs, erinnert sich: "2009 gab es in Österreich gerade einmal eine Handvoll Rider, die sich alle untereinander kannten. Bis heute ist die Szene im gesamten deutschsprachigen Raum enorm gewachsen." Eine Facebook-Gruppe, die die Rider untereinander vernetzen soll, hat bereits über 2500 Mitglieder.

Und eine eigenständige Szene, so dachten sich die Wiener Jugendlichen, braucht auch ihren eigenen Film - wie für Skater das Video Pretty Sweet oder für Snowboarder The Art of Flight.

So wurde aus einer diffusen Idee ein halbstündiger Streifen, der über das ganze Jahr hinweg in den Straßen und Skateparks Österreichs gedreht wurde. Dabei ist der Film ganz klar in Richtung "Street" orientiert - soll heißen, dass der Großteil der Einstellungen nicht in eigenen Skateranlagen, sondern an öffentlichen Plätzen aller Art gefilmt wurde.

Zum Beispiel am Landhausplatz in Innsbruck, direkt vor dem Tiroler Landtag: Hier gibt es Bänke, Treppen und Rampen, die jährlich von hunderten Skatern "zweckentfremdet" werden. Im Sommer reisten die Wiener mit dem Zug extra in die Tiroler Hauptstadt, um dort zu filmen: Den ganzen Tag über geht es darum, möglichst waghalsige Tricks wie "360-Tailwhips" oder "Barspins" in den Kasten zu bekommen. Bis spät in die Nacht war es für die Crew dort möglich, Einstellung für Einstellung zu filmen.

In Innsbruck hielt sich auch der Unmut über die jungen "Straßenakrobaten" in Grenzen. Während es in Wien öfters Beschwerden von Passanten und Security-Personal gibt, erlebte die Filmcrew in der Innsbrucker Innenstadt auch noch um Mitternacht Zuspruch vonseiten der Nachtschwärmer. Innsbruck ist eben anders.

Bemerkenswert an der Produktion ist, dass sie ohne die Hilfe von Sponsoren realisiert wurde. Hinter vielen Sportfilmprojekten stehen oft große Bekleidungs- oder Getränkehersteller, die sich aus Marketinggründen mit dem Image einer Trendsportart brüsten wollen. "Uns war auch sehr wichtig, dass unser Video unabhängig ist und alles von uns selbst gemacht wird, ohne Budget oder irgendeine Marke im Hintergrund", erklärt Kernmayer das Filmkonzept.

Eine Pionierleistung, die die Wiener hier vollbringen, schließlich gab es im deutschsprachigen Raum bisher noch kein "full-length video" - und von einem komplett unabhängigen Filmteam schon gar nicht.

Weltpremiere im Schikaneder-Kino

Am kommenden Freitag feiert Vienna Calling nun im Wiener Schikaneder-Kino seine Weltpremiere. Am Tag danach wird der Film auf Youtube und Vimeo für jedermann frei zugänglich sein. Die Filmemacher versichern, dass der Film nicht nur für Leute aus der Szene sei, sondern jeder Interessierte herzlich zur Premiere eingeladen sei.

Für die Jugendlichen stehe auf jeden Fall der Spaß im Vordergrund der Veranstaltung, und der komme auch im bald erscheinenden Film nicht zu kurz. Man darf gespannt sein. (David Tiefenthaler, DER STANDARD, 19.12.2012)