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Meistertenor Piotr Beczala singt Weihnachtliches.

Foto: REUTERS/Herwig Prammer

Wien - Piotr Beczala ist gut drauf. Das Vorweihnachtliche stimmt fröhlich, der Tenor freut sich nach der Staatsopern-Bohème auf das Christmas in Vienna-Konzert ("Durchaus eine ernste, seriös zu erprobende Sache"). Der Laune keinesfalls abträglich ist zudem, dass der Mann aus dem polnischen Czechowice-Dziedzice (Jahrgang 1966) gerade bei CD-Multi Universal einen Exklusivvertrag unterschrieben hat.

Kommt das Gespräch allerdings zum Kapitel Opernregie, wird es irgendwie ungemütlich. Da kennt Beczala, plötzlich leicht finster, kein Pardon: " Für mich haben diese Leute, die wirklich spinnen und versuchen, die Oper neu zu erfinden, in diesem Genre nichts verloren. Tut mir leid - da bin ich ganz hart! Wenn der Regisseur behauptet, er sei eine schöpferische Kraft, dann ist er für mich out. Gott sei Dank gibt es Leute, die sich musikalisch auskennen, und Oper kann natürlich neu erzählt werden. Aber der Kern muss da sein. Wir sind alle Interpreten, der Kreative ist der Komponist!"

Etwas neu zu interpretieren sei "auch viel schwerer, als es quasi neu zu erfinden. Ich kann das, was sich manche ausdenken, in einer halben Stunde mithilfe einer halbe Flasche Rotwein schaffen. Eine richtige Interpretation hingegen ist schwer." Ja, Beczala hat in diesem Sinne viele Angebote abgelehnt. "Es gibt bei mir eine schwarze Liste mit Dirigenten und Regisseuren, mit denen ich nicht arbeiten möchte." Mit manchen von ihnen "habe ich gearbeitet. Andere sind auf der Liste, da sie einen tollen Ruf haben - in gewissen Kreisen. Ich nenne keine Namen."

Dass mit dieser Einstellung absehbar sei, nie in Bayreuth zu singen, will Beczala dann aber so nicht stehenlassen. "Das ist Ihre Feststellung, ich kann das nicht bestätigen. Aber ich kann auch nicht bestätigen, dass ich dort singen werde. Wer weiß? Ich werde wahrscheinlich den Lohengrin nicht auf einem Krokodil sitzend singen. Ich habe kein Problem mit Lohengrin, wenn ich einen Schwan bekomme. Einen richtigen." Beczala kann sich solch rigorose Positionen leisten. Als Tenor mit dem gewissen Etwas in den hohen Tönen ist er zu Recht an der Spitze angelangt. Er hat - nach seiner Definition - die dritte Stufe der Karriereleiter erklommen.

Der Linzer Haustenor

Beczala: "Die erste Stufe - das ist der Haustenor, der alles macht. Ich war das in Linz, wo ich in einer Saison acht Premieren gesungen habe und 120 Vorstellungen in der ersten Spielzeit. Das war sehr gefährlich, und man hat in dieser Situation zwei Möglichkeiten: Man wird stärker, oder man geht unter." Er habe damals einen Lehrer gehabt, "der mich durch diese schwere Zeit hindurch begleitet hat. Praktisch jedes Wochenende war ich bei ihm. Ein Haustenor hat ja keine Wahl. Man kann ein bisschen diskutieren, aber ob man auch gehört wird, ist nicht sicher. Zudem: Als junger polnischer Sänger in Österreich im Jahre 1992 hatte man nicht viele Möglichkeiten." Auch das mit der Arbeitsbewilligung sei kompliziert gewesen - und die Atmosphäre auch nicht gerade rosig:

"Im Haus hat man zu spüren bekommen, dass man aus Polen kommt und jederzeit zurückgewiesen werden könnte. Ab der dritten Spielzeit hatte ich dann allerdings schöne Sachen zu singen, und das verdanke ich Dirigent Martin Sieghart, der damals Musikdirektor war. Dass man sich von der Gage gar nichts leisten konnte, ist eine andere Sache." Auch dies wird am Züricher Opernhaus, wo er dann "die zweite Stufe" erklomm, ein bisschen besser geworden sein.

"Zweite Stufe bedeutet: wieder Ensemblemitglied zu sein, aber ein Mitglied mit einem freien Fuß für Gastspiele. Nach vier Jahren habe ich allerdings gesagt, dass ich nicht mehr will - ich hatte ja mittlerweile so viele Angebote. Dann bekam ich einen Gastvertrag - ich blieb da bis vor zwei Jahren." Der glückliche Freiberufler begegnet seinem Züricher Arbeitgeber Alexander Pereira dann in Salzburg, wo er in La Bohème sang - und dies eigentlich krank: "Vom gesundheitlichen Standpunkt aus hätte ich die Premiere nicht singen dürfen. Aber es war alles sehr knapp, Cover gab es keines. Das musste stattfinden." Als eine Art Erinnerung an die Haustenorzeit.    (Ljubisa Tosic, DER STANDARD, 20.12.2012)