Gegenwärtig erstickt der Journalismus in Eitelkeit. Zeitungen und Journalisten promoten sich selbst in unzähligen Sonntagsreden, Leitartikeln, Konferenzen, Podiumsdebatten, Preisverleihungen, Initiativen und "Dossiers". Prominente (!) Journalisten betonen, wie unersetzbar "guter Journalismus" doch ist; dass es sich ohne "guten Journalismus" gar nicht mehr zu leben lohnt.

Ohne "guten Journalismus" ist alles Mist: die Demokratie, die Gesellschaft, die Politik, die Zukunft der Zeitungen und natürlich das entspannte Lesen derselben am Kamin. Der Begriff des "guten Journalismus" übernimmt allmählich die Funktion, die in der Generation der Großeltern die "gute Butter" innehatte. Die Verwendung des Wortes Butter ohne das aufwertende Beiwort "gute" war praktisch unmöglich. Auch den Journalismus gibt es in den zahllosen Selbstlob- und Selbstbejammerungs-Debatten kaum noch ohne die Beschwörungsformel "guter" oder "Qualitäts-". Nimm den guten Journalismus, mein Kind! Wahrscheinlich fördert der rituelle Gebrauch dieser Adjektive den immunisierenden Glauben an die eigene unersetzliche Rolle.

Vielleicht steckt auch die Sehnsucht nach positiven Nachrichten dahinter, nach Familie, Zusammenhalt, Kerzenschein und raschelndem Papier im Ohrensessel - nach dem, was Stefan Niggemeier jüngst "Wärmestuben" oder "Wohlfühljournalismus" nannte.

Es stimmt ja: Die böse alte "Schlag"zeile wird neuerdings am Wochenende häufig von Schmuckbildchen und Soft-Meldungen in den Hintergrund gedrängt. Vielleicht ist es aber auch bloß eine Machtdemonstration. In vielen guten Zeitungen macht sich - nach einer Phase des Handreichens - wieder eine Null-Toleranz-Haltung gegenüber dem bösen Internet breit. Diese Haltung dient offenbar der eigenen Selbsterhöhung. Man will sich - verdammtnochmal - nicht länger schlechtreden lassen. Man will dem Mob endlich zeigen, wo der Hammer hängt und der gute Journalismus zuhause ist. (Wolfgang Michal, DER STANDARD, 29./30.12.2012)