Das Burgenland segelte mit günstigem Wind in die nachhaltige Stromautarkie.

Foto: Standard/Christian Fischer

Eisenstadt – Das Burgenland hat die Energiewende binnen 15 Jahren geschafft: Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) gab Mittwochabend bei seiner "State of the Burgenland Address" bekannt, dass das Bundesland heuer voraussichtlich erstmals so viel Strom aus erneuerbaren Energiequellen produzieren wird, wie im Burgenland auch verbraucht wird.

Begonnen hatte diese rasante Entwicklung 1997, als in Zurndorf die ersten sechs Windräder eines Windparks errichtet wurden. Inzwischen produzieren im Burgenland 286 Windräder 612 Megawatt – darunter auch zwei der derzeit weltgrößten Land-Windkraftwerke, die gemeinsam so viel Strom produzieren, wie Eisenstadt verbraucht.

Die Sache fing an, wie solche Sachen immer anfangen: mit einem veritablen Sturschädel. Rudolf Suchy heißt der, Bürgermeister des nordburgenländischen Zurndorf war er, und die sechs Windräder, die 1997 dort aufgestellt wurden, hat er dem Stromversorger Bewag und dem damaligen Landeschef Karl Stix richtiggehend abgetrotzt.

Karl Stix stolperte im Jahr 2000 über die Pleitebank Burgenland, der ihm nachfolgende Hans Niessl ist nicht nur ein geborener Zurndorfer, sondern war Suchys Kollege im nahen Frauenkirchen. Somit war die in Eisenstadt einzurennende Tür bald schon offen.

Mehr noch: 2001 sprach der junge Landeshauptmann dann sozusagen mit dem Mund des Rudolf Suchy. 2013, verkündete er, werde das Burgenland stromautark sein; und das mit Strom aus erneuerbarer Energie.

Energiewende nicht unumstritten

Am Mittwoch meldete er in Eisenstadt bei seiner traditionellen "State of the Burgenland Address" Vollzug: "Wir sind die erste Region in Europa, die ihren Strombedarf zu 100 Prozent aus erneuerbarer Energie abdeckt."

Unumstritten war diese Energiewende – "als ich Landeshauptmann wurde, erzeugten wir gerade drei Prozent des Bedarfs aus erneuerbarer Energie" - natürlich nicht. Immerhin veränderte sie nachhaltig die Skyline des Neusiedler Sees und seiner vorgelagerten Ebenen, andererseits waren immense Investitionen nötig, die ohne Förderungen nicht zu stemmen gewesen wären. Seit 2011 steckte das Burgenland 500 Millionen Euro in den Aus- und Umbau seiner Windräder, "das ist die größte Einzelinvestition in der Geschichte des Landes".

Zurzeit erzeugen 286 Windräder 612 Megawatt, darunter zwei der Type Enercon-126 in Potzneusiedl, die mit ihren 135 Metern Nabenhöhe je 7,5 Megawatt produzieren, Strom für 4000 Haushalte. Es sind dies die weltweit leistungsstärksten Windräder.

Die pannonischen – nach Aufstellungsdatum Nummer drei und vier der Welt - dienen auch als Schaufenster für die vor der Tür liegenden Märkte. Das deutsche Unternehmen Enercon hat sich ja im Burgenland angesiedelt, in Zurndorf fertigen rund 200 Beschäftigte Windkraft-Betontürme.

Pannonischer Stromexport

Insgesamt, so Niessl, werden im Land 300 neue einschlägige Arbeitsplätze entstehen, für die auch die Facharbeiter ausgebildet werden. In Mattersburg gibt es eine diesbezügliche Lehrwerkstätte. Die Stromautarkie soll also nur der erste Schritt sein. Michael Gerbavsits, Vorstandssprecher der Energie Burgenland, sieht sich jedenfalls bald schon als "Stromexporteur". Bis 2015 will man 1300 MW Windstrom produzieren, so viel wie ganz Österreich heute.

Das Burgenland wäre freilich nicht Österreich, würde es nicht auch in dieser Frage eine Parteibrille geben. Niessls SPÖ hat sich so sehr auf den Wind eingeschworen, dass die im schwarzen Süden erforschte und erprobte Biomasse als beinahe parteipolitischer Gegner galt. Umgekehrt nicht minder. Als Arnold Schwarzenegger vor einem Jahr Güssing besuchte, war ostentativ kein Roter eingeladen.

Seit der Gemeinderatswahl im Oktober regiert – überraschend – die SPÖ in Güssing, und die Töne aus Eisenstadt sind seither ein wenig verständnisvoller geworden. Ja, Hans Niessl erwähnte in seinem mittwöchigen Lagebericht ausdrücklich auch die Güssinger Forschungseinrichtung. "Unsere Wissenschafter" seien da nämlich schon drauf und dran, aus Bioabfällen Treibstoff herzustellen. Die nächsten pannonischen Förderschwerpunkte werden Photovoltaik und Elektromobilität sein.

"Wir schaffen Zukunft", ruft Hans Niessl in den Saal des neuen Eisenstädter Kulturzentrums. In der würde er wohl gerne erinnert werden als Rudolf Suchy der Landespolitik: als Sturschädel. (Wolfgang Weisgram, DER STANDARD, 10.1.2013)