Stockholm - Schweden hat am Donnerstag offiziell die Praxis der Zwangssterilisierung bei einer Geschlechtsanpassung verboten. Das Verbot wurde an dem Tag wirksam, an dem ein Urteil des Verwaltungsgerichts von Stockholm in Kraft trat, das die jahrzehntelange Praxis als Verstoß gegen die schwedische Verfassung und die Europäische Menschenrechtskonvention gewertet hatte. Ein Gesetz von 1972 zur sexuellen Identität hatte im Fall einer Änderung des Geschlechts die Sterilisierung der Betroffenen angeordnet.

Aus Sicht des Gerichts verstieß das gegen das von der Verfassung garantierte Recht auf persönliche Unversehrtheit. Zudem sei die Praxis diskriminierend, da sie nur transsexuelle Menschen betreffe.

Das Gericht kam mit seinem Urteil vom 19. Dezember dem Parlament zuvor. Dieses hatte im Herbst ein Gesetz verabschiedet, das die Zwangssterilisierung von Transsexuellen ebenfalls verbietet. Nach offiziellen Angaben beantragten in Schweden zwischen 1972 und 2011 insgesamt 865 Menschen eine Geschlechtsanpassung. Rund 500 Menschen unterzogen sich schließlich einer solchen Operation.

Bei Entschädigung wird auf Klage verzichtet

Der schwedische Verband für die Rechte der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transsexuellen (RFSL) begrüßte am Donnerstag die Entscheidung der Justiz als wichtigen ersten Schritt für eine Entschädigung zwangssterilisierter transsexueller Menschen. Sollte der Gesetzgeber ein Gesetz zur Entschädigung der Betroffenen erlassen, würden sie auf eine Klage verzichten, sagte die RFSL-Präsidentin Ulrika Westerlund. Eine Entschädigung von 200.000 Kronen (23.300 Euro) pro Person wäre aus ihrer Sicht angemessen.

Anfang des Jahres 2011 hatte es in Schweden eine lebhafte Debatte über die Zwangssterilisation gegeben. Trotz einer breiten Mehrheit im Parlament für eine Gesetzesänderung wurde die Umsetzung auf Druck der regierenden ChristdemokratInnen immer wieder hinausgeschoben. Erst seit Februar, nachdem die ChristdemokratInnen ihre Meinung geändert hatten, wurde der Weg frei für eine Gesetzesreform. (APA, red, dieStandard.at, 10.1.2013)