Im Wohnzimmer von Friedrun und Peter Huemer raufte man sich zusammen. Das Lichtermeer wurde ein Erfolg.

Foto: Standard/Hendrich

STANDARD: Ihr Wohnzimmer war vor 20 Jahren die Kommandozentrale des Lichtermeers. Wer hatte die Idee für diese Demonstration?

Friedrun Huemer: Ich war 1993 Wiener Grünen-Abgeordnete. Wir haben gesagt, es muss eine Gegenbewegung zum Ausländervolksbegehren der FPÖ geben. Da ich André Heller kenne, wurde ich gebeten, ein Treffen mit Peter Pilz, Heller und mir zu arrangieren. Es gab dann noch eines bei Heller, der Rest hat sich hier abgespielt.

STANDARD: Wann war absehbar, dass die Aktion ein Erfolg wird?

Friedrun Huemer: Die Medien haben viel darüber berichtet. Aus den Ländern ist viel Zuspruch gekommen, es sind Aktionen organisiert worden, um Geld zu beschaffen. Da war das schon klar.

Peter Huemer: Der Name "Lichtermeer" kam übrigens durch diese Lichterketten in Deutschland zustande, die es dort zu der Zeit gab.

STANDARD: Hat man die Leute überreden müssen, mitzumachen?

Friedrun Huemer: Nur anfangs.

Peter Huemer: Es gab ein anderes Problem. Der Bogen war sehr weit gespannt. Da saß Unterrichtsminister Rudolf Scholten für die SPÖ auf der einen Seite, auf der anderen Seite waren Vertreter der Flüchtlingshilfsorganisationen, von der Hochschülerschaft oder Helmut Schüller von der Caritas.

Friedrun Huemer: Außer Streit stand der Kampf gegen das hetzerische Begehren. Viele wollten aber auch die rassistischen Züge der Ausländerpolitik loswerden - die eines SPÖ-Innenministers.

Peter Huemer: Wir durften aber weder die Gewerkschaft noch die SPÖ verlieren, weil wir ja eine Großkundgebung aufziehen wollten. Die Kirche war auch wichtig.

STANDARD: Wurde nur gestritten?

Peter Huemer: Da ist immer der Schüller gesessen (klopft auf eine Ledercouch), beim Fenster der Rudolf Scholten. Kam ein radikalerer Vorschlag, hat sich Heller eingeschaltet und gesagt: Das kann man dem Rudi nicht zumuten. Als Psychodrama war das hoch spannend. Als sich abgezeichnet hat, dass das Lichtermeer ein Erfolg wird, hat Innenminister Franz Löschnak signalisiert, er würde gern bei SOS Mitmensch mittun.

Friedrun Huemer: Begeistert waren wir nicht ...

Peter Huemer: ... und haben das abgewehrt und gesagt: Nein danke.

Friedrun Huemer: Jörg Haider hat auch kurz versucht, uns zu vereinnahmen, er wollte teilnehmen.

STANDARD: War es rückblickend ein Fehler, SPÖ und ÖVP überhaupt an Bord geholt zu haben?

Friedrun Huemer: Auf eine gewisse Art schon. Ich hatte unheimlich Bauchweh bei der Verdünnung der Suppe. Es wurde um viele Begriffe gekämpft. "Allianz der Vernunft" ist gegangen. "Kurswechsel" musste gestrichen werden.

Peter Huemer: Es ging nur mit Kompromissen, die an der Grenze des Zumutbaren liegen.

Friedrun Huemer: Aber der Punkt ist schon der, dass nach dem Lichtermeer die Möglichkeit gewesen wäre, antirassistische Politik zu machen. Das wurde versäumt.

Peter Huemer: Ich hatte die naive Hoffnung, dass es eine Sogwirkung auch auf die Sozialdemokratie hat. Dass wir die Innenpolitik beeinflussen werden können.

STANDARD: Eine Fehleinschätzung?

Friedrun Huemer: Eine naive Hoffnung. Das ist sicher schiefgegangen. Nur Punkt eins hat funktioniert: Das Begehren war ein Flop.

Peter Huemer: Es gab ja kurz den sozialdemokratischen Versuch, das alles umzudrehen. Löschnak ging, Caspar Einem kam. Er zerschellte aber letztlich am Apparat.

STANDARD: Wie schnell ist die Wirkung vom Lichtermeer verpufft?

Friedrun Huemer: Stimmt schon, es kam die Zeit mit Einem. Aber es war rasch klar, dass das nichts an der Asylpolitik ändern wird.

Peter Huemer: Bei der Sozialdemokratie hat es wirklich nur ein paar Tage gedauert. Kaum war das Haider-Begehren gescheitert, war der Fall für die SPÖ erledigt. Sie haben weitergetan wie vorher.

STANDARD: SOS Mitmensch sagt, dass einige Punkte des Volksbegehrens mittlerweile umgesetzt sind.

Peter Huemer: Gefühlsmäßig stelle ich mir das so vor.

Friedrun Huemer: Sonst finden sich andere Verschärfungen ...

Peter Huemer: ... auf die man damals noch gar nicht gekommen ist. In den vergangenen 20 Jahren ist das System praktisch immer rigider und gemeiner worden.

STANDARD: Es gibt mittlerweile einen Integrationsstaatssekretär.

Peter Huemer: Ein Fortschritt.

Friedrun Huemer: Bei den menschenrechtsentscheidenden Fragen schweigt er allerdings.

STANDARD: Sind die Österreicher ausländerfeindlicher geworden?

Peter Huemer: Seit dem Lichtermeer ist mit Sicherheit eine Abstumpfung eingetreten.

Friedrun Huemer: Eine Ermüdung.

Peter Huemer: Wenn ein Einzelfall aufkommt, dann bewirkt das vielleicht etwas. Insgesamt kann man attestieren: Es gibt eine Abstumpfung der Seelen und Herzen.

Friedrun Huemer: Es ist aber auch die Wiederholung des Ewiggleichen. Die Schicksale wiederholen sich. Die Gemeinheit auch.

STANDARD: Wer ist aus Ihrer Sicht schlimmer: Jörg Haider oder Heinz-Christian Strache?

Peter Huemer: Haider hat relativ rasch erkannt, dass er mit den Ewiggestrigen nicht größer wird. Er hat eine ziemlich moderne rassistische, populistische Partei gemacht und mit manchen Äußerungen die alten Kader bedient. Strache führt die FPÖ wieder viel mehr auf ihren alten nazoiden Kern zurück. Das funktioniert, weil die Menschen so sauer sind, dass sie jeden wählen, der dagegen ist - auch Frank Stronach.

Friedrun Huemer: Vielleicht ist es jetzt ein bisserl ruhiger, weil rechts von der derzeitigen Ausländerpolitik kaum Platz ist. Was sollen die kritisieren? Es lauft eh.

STANDARD: Braucht es ein neues Lichtermeer?

Friedrun Huemer: Auf der Symbolebene ständig, auch wenn es nicht gleich Kerzerln sind. Inzwischen gibt es viele neue soziale Bewegungen. Ich denke, dass jede Generation ihre Formen finden wird.

Peter Huemer: Wenn die FPÖ wieder in die Regierung kommt, passiert sicher etwas. (Peter Mayr, DER STANDARD, 21.1.2013)