"Ich mag's, wenn's ein bissl patiniert und abgefuckt ist. Aber das braucht hier noch ein bissl." Holger Thor alias Miss Candy auf fiktiver Urlaubsreise in Wien.

Foto: Lisi Specht

Die Wiener Dragqueen Miss Candy wirft sich in Schale, denn kommenden Donnerstag findet zum 22. Mal der Rosenball statt. Wojciech Czaja traf sie vorab und sprach mit ihr über Wohnträume und Hotelspiele. 

"Ich komme eigentlich aus der Reisebranche. Früher habe ich für den Schweizer Reiseveranstalter Kuoni gearbeitet und bin seit meinem 20. Lebensjahr regelmäßig um die Welt gejettet. Ich geb's ja zu: Was den Hotelstandard betrifft, bin ich seit damals leider grundverwöhnt und abgrundtief verdorben. Wenn man jahrelang in Luxushotels absteigt, dann will man auf diesen Standard nie wieder verzichten. Strandhaus mit Hängematte? Nee, das geht gar nicht.

Das Reisen ist schon was Lustiges. Mit meinem besten Freund, mit dem ich beruflich am meisten unterwegs bin, spiele ich immer das Spiel 'My hotel is my castle'. Wir eignen uns das Hotelzimmer dann von A bis Z an und führen uns auf, als würden wir hier schon seit Jahren wohnen. Dazu gehören auch so Sätze wie: 'Du, ich geh jetzt in unsere Küche!' Oder: 'Die Fernbedienung gehört auf die Couch und nicht auf den Schreibtisch!' Aber ganz im Ernst: Wenn ich im Hotel bin, und das passiert ständig, dann muss einfach eine Art temporäres Heimatgefühl entstehen, sonst würde ich mich völlig entwurzelt fühlen. Das heißt auch, dass der Koffer immer ausgepackt und so verstaut werden muss, dass ich ihn nicht mehr seh. Ratzfatz, weg damit!

Meistens bin ich als Eventveranstalter unterwegs. Das ist mein Hauptjob. Miss Candy ist aber auch viel auf Achse. Jetzt zum Beispiel ist sie auf fiktiver Urlaubsreise in Wien, weil das Hotel Sans Souci eröffnet wird. Ich bin die Chanel-Dame, die stundenlang in der Lobby steht und so tut, als würde sie einchecken. So mit Hutschachteln und Kofferschrank und so weiter. Das ist eines dieser Hotels, in denen ich immer mein Zuhause-Spiel spiele. Sehr schick das alles hier. Ich mag's ja, wenn Altes mit Neuem kombiniert wird. Noch lieber ist es mir, wenn's ein bissl patiniert und abgefuckt ist, wenn die Tapeten Geschichte erzählen. Das braucht hier noch ein bissl.

Meine eigene Wohnung ist auch so ein Mix-Ding aus Alt und Neu. Ich wohne in einer 80 Quadratmeter großen Dachgeschoßwohnung, direkt im Prime-Stück der Mariahilfer Straße. Von außen betrachtet ist das ein extrem schiaches Haus aus den Sechzigerjahren, aber ich seh's ja eh nicht, wenn ich daheim bin. Meine beiden Lieblingsmöbel sind eine alte Jugendstil-Kredenz aus der Arztpraxis meiner Mutter und eine knallrote Couch, die mein Kater Caspar völlig zerkratzt hat.

Doch das Beste an der Wohnung ist die Aussicht. Ich schaue direkt auf die Zwiebeltürme der Mariahilfer Kirche. Ein Wahnsinn! Und natürlich habe ich dadurch auch kein Gegenüber. Ich mag's, wenn ich mich nackt durch die Wohnung bewegen kann, ohne dass mir wer ins Fenster reinschaut. Und manchmal hat man ja auch, ja, also ... Besuch. Der Einzige, der mich sieht, ist Gott in den Zwiebeltürmen, aber mit dem bin ich eh im Reinen.

Sosehr ich die Aussicht schätze: Ohne Rollos kann ich nicht leben. Erstens hat's in der Wohnung im Sommer eine Temperatur, dass man umkommt, und zweitens hat Miss Candy so unregelmäßige Arbeitszeiten, dass sie manchmal erst um acht in der Früh schlafen geht. Da kann sie dann keine Sonne brauchen. Da muss es absolut stockfinster sein.

Ich wohne hier jetzt seit zehn Jahren, und ich glaube, dass ich noch lange bleiben werde. Eine Mietwohnung mit diesen Qualitäten kriegt man heute nicht mehr so leicht. Vor allem nicht in dieser Lage! Ich lebe in einer entrückten Bubble, bin aber trotzdem mitten in der Stadt. Wenn dann eines Tages womöglich noch die Fußgängerzone kommt, dann wird das sowieso nicht mehr zu toppen sein. Das Einzige, was mir fehlt, ist eine Terrasse. Aber man kann nicht alles haben." (DER STANDARD, 2./3.2.2013)